
Rot-weiße Achterbahnfahrt! Eine FC Bayern Frauen-Saison mit Höhen und Tiefen ist vor gut einer Woche mit dem 5:0-Heimsieg über Potsdam versöhnlich beendet worden. Im Rückblick-Interview lässt die Münchner Kapitänin Lina Magull die Spielzeit 2021/22 Schritt für Schritt Revue passieren, geht auf die Learnings für die kommende Saison ein und erzählt von der Vorfreude über die anstehende Europameisterschaft in England diesen Sommer.
Das Interview mit Lina Magull
Servus Lina. Eine sehr aufregende Saison geht zu Ende. Welche Überschrift würdest Du der abgelaufenen Spielzeit 2021/22 geben?
Lina Magull: „Dem Ganzen einen Titel zu geben, finde ich extrem schwierig. Ich würde es eher mit ,gute Phasen, schlechte Phasen‘ beschreiben.“
Dann lass uns doch gerne mal etwas genauer zurückblicken. Wie würdest Du das Kapitel Bundesliga zusammenfassen?
„Was die Meisterschaft anbelangt, haben wir in der Hinrunde zu viele Punkte liegen gelassen. Gerade wenn man in Betracht zieht, dass auch unser größter Konkurrent, der VfL Wolfsburg, sich zu Beginn noch nicht so richtig gefunden hatte. Rückblickend auf jeden Fall sehr ärgerlich, weil die Punktverluste in meinen Augen total unnötig waren. Auch im Speziellen das Hinspiel gegen Wolfsburg, das wir unglücklich mit 0:1 am Campus verlieren, ist sehr ärgerlich. Wir habe es speziell in der Hinrunde verspielt.“

Ein weiteres großes Kapitel ist die UEFA Women’s Champions League. Wie schätzt Du Eure Leistung in diesem Wettbewerb ein?
„In der Champions League haben wir uns als Mannschaft wirklich sehr gut präsentiert. Natürlich gab es auch weniger gute Auftritte, aber insgesamt glaube ich schon, dass wir international keine Furcht gezeigt haben und auch gerade gegen Paris zwei sehr gute Spiele absolviert haben. Umso bitterer war es, dass wir uns trotz der vielen positiven Rückmeldungen und unserem guten Gefühl nicht für den Aufwand belohnen konnten.“

Betrachten wir die Saison nochmal als komplette Geschichte. Welche Gefühle und Emotionen kommen rückblickend in Dir hoch? Überwiegt der Stolz auf die großartigen Auftritte in der Champions League oder trauerst Du eher den entscheidenden Spielen beispielsweise gegen Wolfsburg hinterher?
„In erster Linie muss ich schon sagen, dass sich eine gewisse Unzufriedenheit in mir breit macht. Einfach weil wir nach der Saison mit leeren Händen dastehen - und nur darum geht es im Endeffekt. Es geht darum, Erfolge zu feiern, gerade hier beim FC Bayern. Wir haben persönliche Ziele, als Team Ziele und vom Verein aus Ziele, die wir nicht erreichen konnten. Das überwiegt natürlich. Aber wenn man die Saison Schritt für Schritt Revue passieren lässt, kommen einem natürlich auch diverse Highlight-Spiele in den Sinn, auf die wir als Mannschaft stolz sind. Für uns als Team war es beispielsweise unheimlich toll, zum ersten Mal in der Allianz Arena gespielt haben zu dürfen. Die Stimmung war einfach überwältigend. Und auch das Spiel in Paris mit der besonderen Fankultur hat uns positiv gepusht. Alles Highlights, die wir nicht alltäglich erleben. Deshalb müssen wir diese positiven Erlebnisse definitiv aus der Saison mitnehmen.“

Du hast eben bereits die wichtigen und positiven Erlebnisse der Saison angesprochen. Was glaubst Du, in welchem Bereich habt Ihr als Kollektiv in der abgelaufenen Spielzeit den größten Schritt gemacht?
„Was man bei uns definitiv herausheben muss, ist unser großer Teamzusammenhalt. Klar, der war letzte Saison schon sehr stark und hat uns zur Meisterschaft getragen. Aber in so einer Saison wie dieser, in der das Team auch viele große Rückschläge einstecken musste, könnte man meinen, dass man als Mannschaft auseinanderfällt. Aber es ist genau das Gegenteil aufgetreten. Wir haben immer zusammengehalten. Natürlich mussten wir die Fehler auch im Team deutlich ansprechen, aber wir haben es immer sportlich gesehen und sind nie daran zerbrochen. Wir sind einfach eine Mannschaft mit vielen großartigen Charakteren, die auch gut einordnen kann, dass der Fußball nicht immer alles ist und das persönliche Befinden der einzelnen Spielerinnen auf der mindestens gleichen Stufe steht.“

Und andersrum gefragt: Welche Learnings nehmt Ihr aus der Saison mit? In welchen Bereichen wollt Ihr Euch als Team noch verbessern?
„Fußballerisch gesehen haben wir diese Saison zu viele Gegentore bekommen. Das war in der letzten Saison anders. Auch in der Offensive haben wir viele hochkarätige Chancen liegen gelassen. An sich brauchen wir eine höhere Kontinuität in unserer Spielweise und müssen noch bessere Lösungen auch gerade gegen die großen Gegner finden.“
Du hast es schon zu Beginn thematisiert. Es war eine Saison mit Höhen und Tiefen. Was waren in deinen Augen die größten Herausforderungen, denen Ihr Euch als Team stellen musstet?
„In einigen Phasen war natürlich auch die Corona-Situation eine große Herausforderung für das gesamte Team. In diesen Phasen war es umso wichtiger, dass wir als Team für alle Mädels eingestanden sind, die beispielsweise wichtige Spiele verpasst haben, was natürlich nicht immer einfach war. Aber jede einzelne Spielerin von uns hätte es verdient, die besonderen Erlebnisse mit uns zu teilen, deshalb haben wir versucht uns in jeder Sekunde für die anderen zu zerreißen. Andere Herausforderungen waren auch der Umgang mit den bitteren Niederlagen, die wir in dieser Saison hinnehmen mussten, ohne dabei in ein zu tiefes Loch zu fallen. Wir haben versucht, uns da bestmöglich immer wieder rauszuholen und in den Trainingseinheiten das Maximum zu geben. Das war auch nicht immer leicht, weil wir Spielerinnen natürlich auch normale Menschen sind, die von Emotionen geleitet werden.“

Schauen wir gemeinsam etwas über den FC Bayern-Tellerrand hinaus: Wie bewertest Du die Entwicklungsschritte des europäischen Frauenfußballs in dieser Saison allgemein?
„Von meinem Gefühl her hat der europäische Frauenfußball in dieser Saison einen riesigen Schritt gemacht. Es kommen immer mehr Mannschaften dazu, mit denen man vor ein paar Jahren noch überhaupt nicht gerechnet hat, wie beispielsweise Juventus Turin. Und auch die Entwicklung von Barcelona ist unfassbar. Wirklich sehr bemerkenswert, wie das Team es schafft, ihre Herangehensweise Spiel für Spiel durchzuziehen und somit europa- oder sogar weltweit die Menschen begeistert hat. An dieser Stelle auch mal ein großes Lob an die UEFA und DAZN, die den Frauenfußball sehr viel sichtbarer gemacht haben, speziell auch durch den neuen Gruppen-Modus in der Champions League. Es freut uns einfach unheimlich, dass der Frauenfußball immer mehr angenommen wird, was man auch an den Stadionbesuchen in dieser Saison gesehen hat, die immer mehr wurden. Die Begeisterung ist da.“

Lass uns abschließend einen kleinen Ausblick wagen: Die Bundesliga-Saison ist absolviert und mit der EM in England steht diesen Sommer bereits das nächste große Highlight an. Wie groß ist schon jetzt die Vorfreude?
„(lacht) Also ich muss zugeben, dass ich mich an allererster Stelle zunächst auf meinen Urlaub freue. Die letzten Wochen und Monate waren sehr intensiv. Ich spüre, dass die Pause jetzt einfach auch mal notwendig ist, um dann mit voller Kraft und Freude in die EM gehen zu können, auf die ich mich wahnsinnig freue. Es gibt einige Spielerinnen inklusive mir, die dadurch noch die Chance haben, einen Titel zu holen - auch wenn es alles andere als einfach wird. Die Dichte an guten Nationen und denen, die sich in den letzten Jahren toll entwickelt haben, ist speziell in Europa sehr groß. Ich bin mir sicher, dass es einen sehr hochklassigen Fußball geben wird. Zudem ziehen es auch die Verantwortlichen in England sehr gut und groß auf. Insgesamt bin ich sehr zuversichtlich, dass uns dies gelingen wird und wir unsere Ziele erreichen werden, auch wenn wir nicht als Favoriten in das Turnier gehen. Auf jeden Fall werde ich das Turnier so gut es geht genießen!“

Vielen Dank Lina, einen erholsamen Urlaub und viel Erfolg bei der anstehenden Europameisterschaft.
Herzlich willkommen in einer Mannschaft voller „großartiger Charaktere", Georgia Stanway!
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