
„Fino alla Fine" - Bis zum Ende. Für Juventus Turin ist das mehr als ein Motto: Es ist Haltung, innerer Kompass, vielleicht sogar Befehl. Man spürte ihn am Donnerstagabend in jedem Schritt, jedem Blick, jeder Geste. In den Gesichtern von Cristiana Girelli, Barbara Bonansea und Co. lag diese unerschütterliche Entschlossenheit. Ein Funkeln, das sich nicht übersehen ließ. In den 90 Minuten legte sich dieses Credo wie ein unsichtbarer Schleier über den Rasen. Ein gleichmäßiger Puls, der jede Bewegung begleitete. Niemals nachlassen, jede Sekunde kämpfen, jede Gelegenheit erzwingen.

Doch die FC Bayern Frauen traten nach der Niederlage in Barcelona nicht als verunsicherte Gastgeberinnen auf, sondern als Mannschaft, die aus Rückschlägen gelernt hat. Schon am Wochenende in Wolfsburg hatten sie das eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Nun spielte die Barcala-Elf einmal mehr konzentriert auf, auch wenn lange vieles gegen sie zu laufen schien: Lattentreffer hier, unglückliche Entscheidungen da. Die Einstellung stimmte aber über den gesamten Abend hinweg. Und in der Nachspielzeit bündelte Lea Schüller all diese Tugenden in einen einzigen, entscheidenden Moment. Aber von Beginn an.
Selbstbewusstsein trifft Geduld

Die Münchnerinnen machten von der ersten Minute an deutlich, wer den Platz als Sieger verlassen sollte. In der elften Minute setzte Pernille Harder das erste Ausrufezeichen: Ihr wuchtiger Kopfball ins kurze Eck nach präziser Flanke von Klara Bühl war schon früh in der Partie ein Signal. Diese Kontrolle war nicht nur spürbar, sondern messbar: 68 Prozent Ballbesitz nach knapp 30 Minuten, 16 Abschlüsse über die gesamte Partie gegenüber acht von Juventus und ein permanentes Spiel in der gegnerischen Hälfte. Doch die Italienerinnen antworteten. In der 17. Minute verwandelte Eva Schatzer einen sehenswerten Freistoß zum Ausgleich. Ein Treffer aus dem Nichts, aber mit Präzision und Effizienz.
Dramatik in jedem Augenblick
Bayern reagierte mit der Qalität einer Mannschaft, die sich auf ihre Stärke verlassen kann. Die Doublesiegerinnen zeigten sich unbeeindruckt, drängten auf die erneute Führung, doch das Glück war an jenem Oktoberabend nur selten auf ihrer Seite. So entwickelte sich das Duell zwischen dem deutschen und italienischen Meister zu einem wahrhaftigen Lehrstück der Spannung, das der FC Bayern dominierte. Aluminiumtreffer von Momoko Tanikawa und Georgia Stanway in Durchgang eins inklusive.

Die Zahlen unterstrichen dieses Bild eindrucksvoll: 705 erfolgreiche Zuspiele bei 766 Versuchen, eine Passquote von 92 Prozent. Juventus kam dagegen nur auf 199 erfolgreiche Pässe bei 243 Versuchen (82 Prozent). Das Kräfteverhältnis war eindeutig. „Wir haben bis zum Schluss gekämpft. Es war ein hartes Stück Arbeit. Wir haben es verpasst, unsere Dominanz früher in Tore umzumünzen. Trotzdem war der Sieg verdient“, sagte Torhüterin Mala Grohs im Anschluss an die Partie.
Der magische Moment: Schüllers Treffer
Bis zur Erlösung mussten die Münchnerinnen lange warten, beinahe bis zum letzten Atemzug. Nach einem nicht gegebenen Elfmeter in der Schlussphase schien das Spiel bereits in Richtung Punkteteilung zu kippen. Doch in der vierten Minute der Nachspielzeit verwandelte sich die Spielstätte am FC Bayern Campus schlagartig in ein Tollhaus. Es war der späte, der gewaltige Moment. Und der Auslöser trug die Nummer elf auf dem Rücken.

Ein letzter Angriff rollte, vielleicht schon der allerletzte. Flanke Gwinn, Kopfball Harder. Und im Strafraum lauerte Schüller. Mit perfektem Timing spitzelte sie den Ball an der herausstürmenden Pauline Peyraud-Magnin vorbei. Der VAR prüfte. Erst Abseits, dann die Torlinie. Sekunden dehnten sich zu Ewigkeiten. Schließlich die Entscheidung: Tor. Schüllers 99. Treffer im Bayern-Dress. Die Überlegenheit, die sich über 90 Minuten hinweg in Zahlen, Rhythmus und Spielanteilen aufgebaut hatte, verdichtete sich in diesem Moment zu einer großen Erlösung: 2:1. Verdient. Erarbeitet. Erzwungen.
Caruso als moralische Leitfigur

Eine, die schon in den vergangenen Wochen zu den prägenden Figuren des Münchner Spiels avancierte, hatte auch an diesem Abend entscheidenden Anteil am Erfolg: Arianna Caruso. Ausgerechnet sie. Jene Italienerin, die über siebeneinhalb Jahre das Trikot der Alten Dame getragen hatte, wusste genau, was auf ihre Mannschaft zukommen würde. Und sie war es, die intern mit Nachdruck klarmachte, welche Tugenden gegen die spielstarken Norditalienerinnen den Unterschied ausmachen: Geduld, Präzision, Einsatz. Selbst als sie angeschlagen ausgewechselt werden musste, blieb ihr Einfluss spürbar, wie ein stilles Fundament, das die Struktur des Teams zusammenhielt.
Ein Signal für die Zukunft

Nichts, aber auch gar nichts brachte Bayern an diesem Donnerstag aus der Ruhe. Geduld, Präzision und Struktur führten stattdessen zum entscheidenden Moment. Trainer José Barcala betonte, dass seine Elf bis zum Schluss gekämpft und das verdiente Tor erzwungen hatte. Die größte Lehre für den Spanier an diesem Abend war jedoch eine andere: „Niemals aufgeben und immer an sich selbst glauben.“ Oder, wie die Italiener sagen: Fino alla Fine.
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