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Alara und ihre Kolleginnen bejubeln den Sieg in Frankfurt.
© Imago
Atletico Madrid

Stetig auf der Überholspur: Alaras Weg auf die große Bühne

Zwei Deutsche Meistertitel, zweifache Supercupsiegerin, DFB-Pokal, zwei Fritz-Walter-Medaillen in Gold – und an diesem Mittwochabend das nächste Champions League-Spiel, diesmal bei Atletico Madrid. Ein Blick auf die Karriere von Alara Şehitler lässt erahnen, dass sie mehr erreicht hat, als viele, die bereits seit Jahren im Fußballgeschäft sind. Dabei ist sie gerade einmal 19 Jahre alt, spielt aktuell erst ihre dritte Profisaison. Wer mit ihr spricht, hört trotz der großen Erfolge aber keinerlei Spur von Überheblichkeit. „Ich habe noch viel zu lernen“, sagt sie, mit einer Ernsthaftigkeit, die keinen Raum für Selbstgefälligkeit lässt. In ihrer Stimme liegt kein Zweifel, sondern vielmehr das Wissen, dass der Weg, den sie geht, noch lange nicht zu Ende ist. Und das, obwohl sie ursprünglich gar nicht im Frauenfußball auflaufen wollte. Aber man sollte diese Geschichte von Beginn an erzäheln.

Herkunft und Heimat: Ein Leben zwischen Fahrschule und Fußball

Alara mit ihrem älteren Bruder im FC Bayern-Trikot.
Seit Kindheitstagen Bayern-Fan: Alara mit ihrem älteren Bruder im Dress des FCB. | © Privat / Alara Şehitler

Aulendorf, dieser kleine Ort, den Züge eher streifen als wirklich berühren, ist der Boden, auf dem Alaras Geschichte gewachsen ist. Hier, in der 10.000 Einwohner-Kleinstadt am Westrand des Schussentals im Landkreis Ravensburg im Südosten von Baden-Württemberg, wuchs die heutige Nationalspielerin auf. Zwischen Fahrschulautos, Traktorengeruch und dem gleichmäßigen Rhythmus eines Dorfes, das selten aus der Ruhe kommt. Ihre Eltern betreiben hier die örtliche Fahrschule, und so war es selbstverständlich, dass der Alltag der Familie zwischen Handbremsübungen und Motorengeräuschen verlief. Fußball lief im Hintergrund fast immer, allerdings hauptsächlich der der Männer. „Das war einfach das, was man geschaut hat“, sagt Alara heute. Und während im Wohnzimmer Bundesliga, Premier League und die Champions League lief, spielte sie mit ihrem Bruder nebenbei, wann immer es die Zeit zuließ. Er war älter, stärker, schneller. Und genau deshalb ihr perfekter Gegenspieler.

Die Liebe zum Fußball kam früh, vielleicht früher als bei den meisten. Und die zum FC Bayern entstand ausgerechnet durch einen Wechsel, der viele zur damaligen Zeit spaltete: den Transfer von Manuel Neuer von Schalke nach München im Jahr 2011. Alara war vier, vielleicht fünf Jahre alt, als sie zum ersten Mal bewusst begriff, dass ein Torwart, den sie mochte, nun für einen neuen Verein spielte. „Ich fand Neuer immer gut“, sagt sie heute. „Und als er zu Bayern ging, war klar, dass ich Bayern-Fan werde.“ Ein kindlicher Schluss, der sich nie wieder auflöste.

Abschied vom Dorf, Ankunft beim Meister

Alara im Einsatz für die zweite Mannschaft der FC Bayern Frauen.
Ihre ersten Spiele machte Alara für die zweite Mannschaft, ehe sie im Zuge des Auswärtsspiels bei RB Leipzig im Oktober 2023 ihr Debüt für die amtierenden Doublesiegerinnen feierte. | © Imago

Elf Jahre später würde sie denselben Weg antreten. Nicht in die Allianz Arena, aber in das Nachwuchsleistungszentrum des Rekordmeisters. 2022 stand sie erstmals bei den Münchnerinnen für eine Woche zum Probetraining auf dem Platz. Nervosität, sagt sie, habe sie in dieser Woche durchaus verspürt. Aber sie machte ihre Sache gut. Mehr als gut könnte man sagen. Fünf Tage lang, alles neu, alles groß. 2023 wechselte sie schließlich endgültig: weg aus Aulendorf, weg aus Weingarten und Ravensburg, weg aus der Welt, in der sie immer eine von den Jungs gewesen war, hinein in die Kabine eines der größten Klubs des Kontinents.

Zwischen Schulbank und Trainingsplatz: Der Spagat der Jugend

Und während sie sich im Training plötzlich neben Pernille Harder oder Georgia Stanway wiederfand, Spielerinnen, die sie bis dahin nur aus dem Fernsehen kannte, gab es für sie parallel noch ganz andere Aufgaben. Das Abitur. Mit dem Umzug verbunden: ein Schulwechsel. Neue Fächer, die sie vorher nie hatte. Doch sie meisterte es mit Bravour. „Man macht es, weil es sehr wichtig für die eigene Zukunft ist“, sagt sie, als wäre es die natürlichste Sache der Welt, Schule, Länderspiele, Reisen, Wettbewerbe und den Sprung in den Profibereich gleichzeitig zu bewältigen. Im Sommer diesen Jahres hielt sie das Abitur schließlich in der Hand. Geschafft.

Alara bejubelt den Treffer im Auswärtsspiel beim VfL Wolfsburg.
In München angekommen: Alara gewann mit den FCB-Frauen in den vergangenen beiden Spielzeiten ihre ersten Meistertitel. | © Imago

Dass Alara heute überhaupt in München, besser gesagt für die FC Bayern Frauen spielt, war für sie früher als Kind eigentlich nicht vorstellbar. „Wenn ich bei den Frauen spielen muss, höre ich auf“, sagte sie damals und lacht heute darüber, als wolle sie sich selbst entschuldigen für die Unbedingtheit dieses Satzes. Für die 19-Jährige war es lange selbstverständlich, mit den Jungs durch die Verbandsliga zu marschieren, als Kapitänin, als akzeptierte Ausnahmeerscheinung. Die Vorstellung, im Frauenfußball zu spielen, existierte für sie schlichtweg nicht. ihr Ziel war klar: „Ich wollte in der Männer-Bundesliga spielen.“ Kein Spruch, keine Träumerei, sondern die einzige Welt, die sie kannte. Auch weil der Frauenfußball vor ein paar Jahren eben nicht die Präsenz hatte, die er heute genießt.

Vorbilder plötzlich Kolleginnen

Alara und Giulia Gwinn klatschen vor einer Partie ab.
Kommen beide aus der Bodensee-Region: Giulia Gwinn und Alara Şehitler. | © Imago

Seit Alara Sehitler im Sommer 2023 endgültig zum FC Bayern gekommen ist, wirkt ihre Entwicklung wie eine beschleunigte Zeitrafferaufnahme: kaum angekommen, schon angekommen. Eine junge Spielerin, die sich nicht vorsichtig herantastet, sondern mit einer Selbstverständlichkeit auf diesem Niveau bewegt, die fast irritieren könnte. Natürlich liegt das an ihrer Qualität, an dieser Mischung aus körperlicher Robustheit, lässiger Übersicht und einer überragenden Technik. Aber wenn man sie darauf anspricht, weicht sie den Lorbeeren fast instinktiv aus. Vielmehr kommen dann ihre Mitspielerinnen zur Sprache. „Ich verstehe mich mit so vielen richtig gut“, sagt sie, als ginge es gar nicht primär um sie, sondern um das Umfeld, das sie trägt.

Dabei ihre engsten Freundinnen im Kader herauszupicken, fällt ihr außerordentlich schwer. Aber es gibt sie, die Menschen, die in ihrer Erzählung wie feste Nordlichter erscheinen: allen voran Franzi Kett, eine jener Freundschaften, die im Jugendfußball entstehen und sich später, wenn man Glück hat, ins Erwachsenenleben hinüberretten. Die beiden kennen sich seit den frühen U-Nationalmannschaften. Im Haus der Athleten, in dem Alara ihre ersten Jahre in München verbrachte, war Franzi jemand, der ihr die Übergänge leichter machte: zwischen Dorf und Großstadt, zwischen Jungsfußball und Frauen-Bundesliga, zwischen jugendlicher Selbstverständlichkeit und professioneller Erwartung.

Franzi Kett, Alara und Linda Dallmann mit dem DFB-Pokal.
Alara blickt bereits auf den ein oder anderen großen Titelgewinn zurück. Im Mai diesen Jahres sicherte sie sich mit den FCB-Frauen erstmals den DFB-Pokal. | © Imago

Ebenso fest an ihrer Seite sind Linda Dallmann und Giulia Gwinn. Die beiden, schon lange etablierte Nationalspielerinnen, begegneten ihr von Beginn an nicht von oben herab, sondern mit einer Art unaufgeregter Wärme. Besonders Gwinn ist für sie mehr als Kollegin: Sie verbindet sie nicht nur geografisch, beide stammen aus der Region Ravensburg, sondern auch biografisch. Auch die Eltern kennen sich mittlerweile gut, sind befreundet. Die Kapitänin der deutschen Nationalmannschaft und Alara spielten jeweils für den FV Ravensburg und den SV Weingarten, beide verstanden Fußball schon früh nicht nur als Hobby, sondern auch als Sprache. „Wie zwei große Schwestern“, bezeichnet Alara Gwinn und Dallmann. In diesem Satz liegt eine Mischung aus Respekt und Vertrautheit, die sich in den vergangenen Jahren aufgebaut haben. 

Einstand mit Signalwirkung

Alara bejubelt ihren ersten Treffer gegen Kickers Offenbach.
Erstes Mal Startelf - erstes Tor: Ihren Premierentreffer für den FCB markierte die 19-Jährige im Zuge des DFB-Pokalduells gegen Offenbach in der Spielzeit 2023/24. | © Imago

Der Einstieg in den Profifußball verlief bemerkenswert reibungslos. Die Mannschaft nahm sie auf, und Alara zahlte das Vertrauen von Beginn an zurück. Gleich im ersten Pflichtspiel, dem Pokal-Achtelfinale in Offenbach 2024, traf sie. Es war das frühe Signal, dass sie angekommen ist. Doch damit nicht genug. Im vergangenen Jahr berief Bundestrainer Christian Wück sie erstmals in die A-Nationalmannschaft. Für Außenstehende wirkte diese Nominierung wie ein Ritterschlag, für Alara selbst war es die Erfüllung eines Traums aus Kindertagen, den sie sich mit gerade einmal 17 Jahren erfüllte, zwei Tage vor ihrem 18. Geburtstag. 

Nebenbei zur Profikarriere schob sie ihren Führerschein dazwischen. Als sei das nicht die absurdeste logistische Herausforderung eines ohnehin vollgepackten Alltags gewesen. Aufgrund des eng getakteten Spielplans blieb ihr nur eine Intensivwoche in der Heimat. Ihr Papa plante sie zwischen seinen Terminen ein. Die Prüfung bestand sie auf Anhieb. „Ja, klar“, sagt sie und zuckt die Schultern, als sei es gar kein Ereignis gewesen. Ihr erstes Auto: ein Ellenator, dieses seltsam dreirädrige Fahrzeug, das aussieht, als wäre es aus Versehen entworfen worden, das man aber mit 16 fahren darf. Und das ihr die Freiheit gab, weiter auf der Überholspur zu bleiben.

Die nächste spanische Nacht

Alara bejubelt ihren Treffer im Zuge des Heimspiels der FCB-Frauen gegen Arsenal.
Auch im Zuge des Arena-Spiels gegen den amtierenden Champions League-Sieger Arsenal WFC trug sich Alara in die Torschützinnenliste ein. | © Imago

Alara, inzwischen fest verwurzelt im Ensemble der FC Bayern Frauen, ist längst nicht mehr nur Versprechen, sie ist Gegenwart. Dritte Spielzeit, ein Vertrag, der bis 2027 reicht. Ihr Name steht nicht nur auf dem Spielberichtsbogen und den Autogrammkarten, sondern auch für Momente, in denen das Spiel kippt, für Tore, die Geschichten erzählen. So vielleicht auch am Mittwochabend gegen Atlético Madrid. Es ist der vorletzte Akt der Champions League-Ligaphase, der auf die Münchnerinnen wartet. Die Bayern stehen stabil, drei Siege aus vier Spielen, mittlerweile elf Begegnungen ohne Niederlage. Und nun: Wieder Spanien, wieder ein Flug in die Wärme. Schon zum Auftakt der Königinnenklasse ging es für Alara und ihre Kolleginnen nach Barcelona, erst vor wenigen Tagen das Nations-League-Finale in der pulsierenden Hauptstadt. Jetzt also wieder Madrid, ein weiteres Kapitel, das geschrieben werden will. Das Selbstvertrauen ist mit im Gepäck, genährt von den Siegen gegen Juventus, Arsenal und PSG. Nun steht erneut eine Reise nach Spanien bevor. Und vielleicht gelingt Alara diesmal, was bislang ausblieb: der erste Erfolg auf spanischem Boden in dieser Saison. Denn, wie es so treffend heißt, aller guten Dinge sind drei.

🔍 Wir haben den kommenden Gegner der FC Bayern Frauen etwas genauer unter die Lupe genommen: 

📻 So verfolgt ihr das Duell live im Webradio: 

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