Die Bayern-Basketballer haben am 1. April 2021 ein wenig Vereinsgeschichte geschrieben mit dem 71:70-Erfolg über Litauens Vorzeigeklub Zalgiris Kaunas – der 20. Sieg in der EuroLeague bedeutete für das Team von Cheftrainer Andrea Trinchieri die vorzeitige Qualifikation für die Playoffs der Königsklasse – als erstes deutsches Team überhaupt. Vereinspräsident Herbert Hainer, 66, ordnet im FCBB-Interview diesen Erfolg und die Bedeutung der Basketballer für den Gesamtverein ein, er spricht über Coach Trinchieri und spannende Zukunftsperspektiven.
Herr Hainer, der Präsident des sehr erfolgreichen, weltgrößten Vereins wird vermutlich häufiger Glückwunsch-Noten erhalten. War dies jetzt ebenfalls der Fall, nachdem sich die Nebensparte FC Bayern Basketball als erstes deutsches Team für die Playoffs der EuroLeague qualifizierte?
Herbert Hainer: Absolut, ich habe viele Anrufe und Nachrichten bekommen. Als erstes direkt nach dem Abpfiff gegen Kaunas von Uli Hoeneß, der gratuliert und sich riesig gefreut hat, und als nächstes von Edmund Stoiber! Auch viele sportbegeisterte Freunde und Bekannte aus meinem persönlichen Umfeld haben gratuliert zu einem wirklich historischem Ereignis. In den Playoffs der EuroLeague spielen ja nun wirklich nur die Besten der Besten in Europa. Und man muss sehen, mit welchem Etat wir das angestellt haben im Vergleich zum FC Barcelona, Real Madrid Efes Istanbul oder ZSKA Moskau – das ist schon eine herausragende Leistung.
Die Entwicklung wirkt auch deshalb verblüffend, da sich erst vor wenigen Wochen der Aufstieg in die BBL 2011 jubiläumsreif jährte. Mit einem Jahrzehnt ist man noch ein sehr junger Klub . . .
. . .ja, das ist wirklich eine schöne Analogie, wie schnell das gelungen ist. Gerade deswegen kann man jetzt von einem historischen Schritt sprechen.
Allerdings definiert sich der FC Bayern eher über Titel und Trophäen und nicht den Einzug in eine Viertelfinal-Serie.
Richtig, aber man darf auch nicht vergessen, dass wir letztes Jahr in der EuroLeague 17. waren, also Vorletzter. Nun sind wir nach der Runderneuerung der Mannschaft, mit neuem Trainer und verhältnismäßig wenig Budget unter den besten Acht Europas. Die Entwicklung des Basketballs beim FC Bayern muss man sich schon genau anschauen, um diese Leistung zu begreifen. Erst 2010 wurde ja mit der Mitgliederbefragung beschlossen, ernsthaft in den professionellen Bereich einzutreten. In so kurzer Zeit und wie erwähnt mit einem anderen Etat als die ganz Großen nun sogar in die europäische Phalanx einzubrechen - das hat für mich die Wertigkeit eines Titels. Und die Reise ist ja noch nicht zu Ende. Es gibt aber auch noch weitere Trophäen zu holen, in zwei Wochen zum Beispiel beim Top4 um den deutschen Pokal im Audi Dome. Auch in der Liga stehen wir bei aller Belastung gut da, trotz der sehr ärgerlichen Niederlage am Samstag in Gießen.
Die Anteilnahme in den Medien und generell in der Sportwelt am Playoff-Einzug war groß. Viele sprachen vom FCBB als Lokomotive des deutschen Basketballs.
Ich habe das auch vernommen und es freut mich, dass viele im deutschen Basketball unseren Erfolg auch als Chance für alle sehen. Auch von Marco Baldi, dem Geschäftsführer von Berlin, war dies ja deutlich zu vernehmen, dass es dem deutschen Basketball gut tut. Der Erfolg hebt den Stellenwert unserer Sportart und wir erhalten insgesamt viel mehr Aufmerksamkeit; nicht nur in Deutschland, sondern in Europa und teilweise sogar global. Marko und dem ganzen Team dahinter, mit Sportdirektor Daniele Baiesi an der Spitze, kann man einfach nur gratulieren dazu, was in den letzten Jahren aufgebaut worden ist. Sie haben die letzte Saison ganz offen analysiert und perfekt die Lehren bei der Zusammenstellung des Kaders für diese Saison gezogen. Das ist absolute Professionalität.
„Trinchieri war ein Glücksfall“
Wird Trinchieri über die Saison hinaus der Lokomotiv-Führer bleiben?
Beide Seiten hatten sich ja im Sommer darauf verständigt, dass man sich das erst mal ein Jahr anschaut. Das Ergebnis: Wir sind sportlich auf einem tollen Weg, uns gefällt speziell die detaillierte, leidenschaftliche Arbeit von Andrea Trinchieri. Und ich erhalte in unseren Gesprächen den Eindruck, dass es auch ihm bei uns und in München recht gut gefällt. Ich denke, es ist nicht nur bei uns der Wunsch vorhanden, dass wir uns demnächst zusammensetzen und über eine Zusammenarbeit über die Saison hinaus reden.
Sie haben Trinchieri bereits im vorigen Sommer ausgiebig kennengelernt.
Richtig, aber der Reihe nach: Zuerst haben wir im letzten Sommer mit Marko Pesic und Daniele Baiesi zusammengesessen und haben alles analysiert: Was war, was wollen wir verbessern, was wollen wir anders machen? Wir waren uns einig, dass wir einen attraktiveren, einen athletischeren und auch aggressiveren Stil etablieren wollten. Um diesen Basketball spielen zu können, brauchst du natürlich auch einen entsprechenden Trainer. Wir haben uns unter mehreren Kandidaten für Andrea Trinchieri entschieden – und heute kann man sagen, das war ein Glücksfall und die absolut richtige Wahl. Denn was diese Mannschaft und ihn auszeichnet, sind der unheimliche Enthusiasmus, der Kampfgeist und dass sie nie aufgeben. Wir haben ja viele Spiele erst im dritten und vierten Viertel gewonnen, auch das Spiel jetzt gegen Kaunas wurde erst in den letzten Sekunden noch gedreht. Der Charakter und der Wille, den der Trainer dieser Mannschaft einverleibt hat, passen ideal zum FC Bayern München: Mia san mia!
Foto: FCBB-Coach Andrea Trinchieri & FCB-Präsident Herbert Hainer auf der Eröffnungs-PK im Audi Dome
Sie zitieren das Selbstverständnis des Gesamtvereins, der also sein Portfolio 2010 erweiterte. Eine Bereicherung?
Auf jeden Fall tut uns diese junge Marke innerhalb des FC Bayern gut, sie erweitert unsere Zielgruppe. Uli Hoeneß hat durch seine Arbeit den Grundstock für den heutigen Erfolg gelegt und wir haben nun in den letzten eineinhalb Jahren noch stärker versucht, den Basketball im Gesamtverein fest zu verankern. Auch deshalb haben wir Marko Pesic in den Lenkungskreis unseres aktuellen Strategie-Projekts AHEAD aufgenommen. Denn die Ausrichtung auf die Zukunft betrifft eben nicht nur den Fußball, sondern ist ein gesamtumfassendes Thema des Vereins.
„Eintagsfliegen sind nicht meine Sache“
Sie haben zu Beginn die finanzielle Schieflage im Wettbewerb mit den ganz großen europäischen Basketballmarken erwähnt. Dort werden nach einer Saison schon mal 30, 40 Millionen Euro Nettoverlust ausgewiesen. Wie ist der eigenständige FCBB hierfür aufgestellt, speziell in Corona-Zeiten?
Am Anspruch des FC Bayern Basketball, sich selbst zu tragen und eben nicht quersubventioniert zu werden, wird sich nichts ändern. Das ist uns bisher sehr gut gelungen, wobei die letzten rund eineinhalb Saisons ohne unsere Zuschauer für uns auch im Basketball sehr hart waren. Aber Marko Pesic und sein Team haben in der Corona-Krise weiter unheimlich akribisch gearbeitet, haben selbst in dieser Zeit einer menschenleeren Halle neue Sponsoren gewinnen können und die Kosten im Griff gehabt. Insofern kommen wir wohl auch in dieser Saison mit einem blauen Auge davon. Und ich bin überzeugt, für die Zukunft haben wir sehr gute Perspektiven, wenn wir über den SAP Garden als zweite Spielstätte neben dem Audi Dome verfügen werden. Diese neue Halle wird bis zu 11.500 Zuschauern Platz bieten, mit ganz neuen technischen Möglichkeiten. Die hohe Digitalisierung des SAP Garden wird gerade das jüngere Publikum ansprechen. Das wird uns Optionen eröffnen, demnächst unserem Ziel, ganz vorn in Europa zu landen, ein Stück näher zu kommen.
Die Top8 sollen demnach keine Eintagsfliege bleiben.
Dafür stehen sowohl Marko Pesic als auch ich als Präsident mit meiner beruflichen Vergangenheit bei adidas. Eintagsfliegen sind nicht meine Sache. Wenn man eine Marke oder einen Klub wie unsere Basketballer aufbaut, muss man langfristig denken.
Denken Sie, dass es irgendwann auch mal der Fall sein wird, Starspieler nach München zu holen, um dauerhaft ganz vorn mitzuspielen?
Ja, ähnlich wie im Fußball möchten wir perspektivisch diesen Zweiklang hinbekommen, dass wir auch im Basketball internationale Topspieler zu uns holen und gleichzeitig Talente aus der eigenen Jugend entwickeln. Das wird unser weiterer, sicherlich nicht immer ganz einfacher Weg sein.
Zur längerfristigen Perspektive könnte sich, als weitere Fügung neben dem entstehenden SAP Garden, nun auch die Erlangung einer A-Lizenz in der EuroLeague ergeben. Wie steht es hierzu in den Gesprächen?
Die Perspektiven und Voraussetzungen unseres Vereins sind sehr gut, das stimmt. Deswegen ist die EuroLeague an uns herangetreten, um uns einen Sitz bei den Gesellschaftern als Anteilseigner anzubieten. Wir sind in sehr guten Gesprächen und finalisieren derzeit noch letzte Details, da wir uns ja für einen längeren Zeitraum binden würden. Ich kann sagen: Wir sind auf einem sehr guten Weg und ich gehe davon aus, dass wir zum Ende des Monats April einen Abschluss erreichen und vermelden können.
„Das kann der Mannschaft niemand mehr nehmen“
Am 18./19. April beginnen also die Playoffs in der Königsklasse, mit dem FC Bayern Basketball. Der Trainer möchte gerne weiter träumen, nennt sein Team allerdings auch den totalen Underdog . . .
. . . und ich glaube, das ist gerade eine Chance. Man hat doch gesehen, dass diese Mannschaft zu allem fähig ist. Natürlich brauchen wir noch ein wenig Zeit, bis wir dauerhaft ganz vorn in der Spitze Europas ankommen. Aber in einer Playoff-Serie kann immer alles passieren und ich traue diesem Team alles zu. Aber selbst, wenn es in der Top8-Runde anders kommt – die Mannschaft kann jetzt schon unheimlich stolz darauf sein, was sie in dieser EuroLeague-Saison erreicht hat. Das kann ihr niemand mehr nehmen.
Der Gegner steht noch nicht fest. Wen würde der Präsident wählen?
Jetzt ist ja wirklich jeder Gegner hochattraktiv. Aber da ich aus dem Fußball komme, würden mich die Namen Real Madrid oder FC Barcelona schon sehr reizen. Denn das sind klangvolle Namen, mit denen uns positiv besetzte Rivalitäten verbindet. Barcelona wäre natürlich als klarer Tabellenerster der Hauptrunde sicher sehr schwer zu schlagen, speziell in einer Best-of-five-Serie. Aber der Reiz dieses Duells ist immens groß.