
Später begegneten sich die Trainer noch einmal im Bauch des engen Palau Blaugrana, denn Sarunas Jasikevicuis war es ein dringendes Anliegen, dem Kollegen abermals zu gratulieren. Der feste Handshake des litauischen Basketballidols mit Andrea Trinchieri war keine Show, der Barça-Coach zollte seinem Münchner Pendant einfach nur Respekt. „Bayern schockt Barcelona“, meldete da bereits der Hausdienst der EuroLeague zum 90:75 (48:35)-Coup des ersten deutschen Playoff-Teams beim erklärten Topfavoriten der Königsklasse. Denn die Bayern sind jetzt wirklich drin in der Viertelfinal-Serie mit der Nummer eins der Hauptrunde, das Best-of-five-Spektakel gegen die Startruppe des FC Barcelona wird durch den überraschenden 1:1-Ausgleich in jedem Fall über vier Spiele gehen.
Die Tickets für Spiel vier am übernächsten Freitag (29.4., 20.45 Uhr) sind seit Donnerstagnacht freigeschaltet, das dritte Duell steigt zuvor kommenden Mittwoch (27.4., 20.30 Uhr) im Münchner Audi Dome.
„Als würden sie in den Pool springen“
In Barcelona ging es für Trinchieris Männer, allesamt platt nach einer sagenhaften kämpferischen Performance, mit einer interessanten Mischung aus Stolz und Demut zum späten Dinner kurz vor Mitternacht. Ein Glas Cava gönnten sich hinterher zumindest der italienische Reiseleiter, Geschäftsführer Marko Pesic und der restliche Staff – damit waren die Feierlichkeiten auch schon beendet: Um 7.30 Uhr ging der Bus zum Airport.
Schon gleich nach dem großen Spiel hatte Trinchieri Bodenhaftung gepredigt, „wir haben heute die Chance gewonnen, nächste Woche zwei Heimspiele zu haben – mehr haben wir nicht erreicht“, betonte er mehrfach. Stolz auf seine Spieler sei er, ergänzte der 53-Jährige, das schon, „doch ich weiß genau, gegen wen wir nächsten Mittwoch spielen“.
Seine Spieler sehen das ganz ähnlich, „wir sind jetzt in der Serie drin, das ist schon mal ein Riesending für uns“, sagte Andreas Obst, einer der Hauptdarsteller beim ersten Playoff-Auswärtssieg der FCBB-Geschichte im vierten Anlauf. Und ergänzte: „Das ist ein sehr großer Abend für uns alle. Aber wir müssen nun damit rechnen, dass eine krasse Antwort kommt. Barça wird jetzt ein Statement setzen wollen.“

Ein wenig Genießen war dennoch erlaubt nach einem taktischen Glanzstück, das die Bayern da vor 6.300 infernalisch lärmenden Katalanen dargeboten hatten. Das Post-Up-Spiel der Gastgeber, im ersten Spiel (67:77) vor allem über Brandon Davies (19 Punkte, diesmal 8) und Topstar Nikola Mirotic erfolgreich, wurde mit wirkungsvollen Hilfen gestoppt; ebenso der Speed des am Dienstag glänzenden US-Guards Dante Exum (12/2). Doch alles basierte auf einem grandiosen Einsatz, den die Bayern an den Tag legten: Schon im ersten Viertel waren der starke Allrounder Nick Weiler-Babb (12/8 Rebounds/4 Assists) und Othello Hunter (4/7 Rebounds) übers Parkett gehechtet, „als würden sie in den Pool springen“, wie Jasikevicius anschließend verblüfft konzedierte.
Thomas und Obst scoren, Lucic führt
Und das alles ohne Topscorer Darrun Hillard, der am Morgen des Spieltags am gebrochenen Schlüsselbein operiert worden war und dem nachts im Team-Chat der Sieg gewidmet wurde. Ohne Corey Walden, der weiter daheim in München seine Rückenprobleme zu beheben versucht. Und im Grunde auch ohne ihren Starting-Center Leon Radosevic, der nach nur dreieinhalb Minuten im Rückwärtssprint mit Mirotic kollidiert war und dabei das linke Fußgelenk umschlug (Diagnose offen).
„Wir haben heute die Chance gewonnen, nächste Woche zwei Heimspiele zu haben – mehr haben wir nicht erreicht.”
FCBB-Headcoach Andrea Trinchieri zum Sieg gegen Barcelona
Kommentar Andi Obst zu all diesen Umständen: „Wir hatten einen Riesenrückschlag mit D-Hills Verletzung und ich denke, wir sind deshalb als Mannschaft noch mehr zusammengerückt. Wir müssen seinen Ausfall kompensieren, das ist keine leichte Aufgabe, und dann fällt auch Leon früh im Spiel aus. Doch wir haben das ganze Spiel über eine überragende Einstellung gezeigt, haben als Mannschaft gespielt, gekämpft, nicht aufgegeben, super Charakter gezeigt.“
Obsts irrer Buzzer-Dreier aus der Ecke zum 67:56 nach dem dritten Viertel, seine insgesamt 15 Punkte in 15 Minuten Einsatzzeit beeinflussten das Spiel ebenso nachhaltig wie die Wurfleistung des aufgedrehten „Man of the Match“, Deschaun Thomas, der sechs von sieben Dreiern traf und 25 Punkte sammelte. Auch Kapitän Nihad Djedovic (6 Punkte) leistete auf Hilliards Position seinen Beitrag, Weiler-Babb lieferte mal wieder ein komplettes Spiel, wie erneut der EuroLeague-Rookie Ognjen Jaramaz (11/5 Assists), - während Augustine Rubit (10) unter den gesundheitsgefährdenden Pfiffen eines aufgewühlten Publikums seelenruhig acht von acht Freiwürfen versenkte.
Sonntag noch in Hamburg
Und Vladimir Lucic, am Dienstag mit 20 Punkten noch bester FCBB-Werfer? Führte das Team trotz einer diskreten Offensivleistung (5) eindrucksvoll, wenn man nur genau hinschaute: Mit ihm auf dem Feld setzten sich die Bayern um 16 Punkte ab, der höchste Plus-minus-Wert aller 24 Akteure. Seine Mannschaft gewann das Rebound-Duell 34:32, hatte nur zehn Ballverluste, aber neun Steals.
„Ich finde, wir haben das ganze Spiel eine tolle Defense gespielt, das ist der Hauptgrund für diesen Sieg“, sprach Jaramaz später. „Es war ein sehr hartes, physisches Spiel. Aber das ist nur ein Sieg, wir müssen weitermachen. Barcelona ist immer noch das beste Team der EuroLeague und war Erster der regulären Saison, das dürfen wir nicht vergessen. Wir müssen also am Mittwoch genauso spielen, wenn nicht noch härter.“
Hart geht es auch weiter, so ganz ohne Barça: Samstag ist Abreise nach Hamburg, wo die heimstarken Towers ihre Chancen auf die BBL-Playoffs wahren möchten gegen die Münchner Vielspieler. Spielbeginn: Sonntag, 18 Uhr.