Am Wochenende geht es um den Titel: Die NBBL-Mannschaft der Bayern-Basketballer hat sich mit einem dramatischen Viertelfinal-Erfolg gegen den Stadtrivalen Schwabing das Ticket für das TOP4 der U19-Bundesliga in Frankfurt gesichert. Einer der Schlüsselspieler im Halbfinale am Samstagabend gegen Vechta (20 Uhr, sporttotal.tv) ist Sebastian Hartmann. Der 17-jährige Flügelspieler des FCBB im Portrait.
Die Sonne scheint am FC Bayern Campus und Sebastian Hartmann steigt in einem Hemd mit Blumenmuster aus seinem Auto. Und angesichts der Lässigkeit, mit der er in Richtung der Sporthalle flaniert, könnte man fast glauben, dies wäre eine weitere Alltagswoche für den Flügelspieler der Münchner U19-Mannschaft. Dabei ist es DIE Woche: Am Vortag stand die Abi-Prüfung in Religion an, wenige Tage später steigt das TOP4 der NBBL in Frankfurt.
Und Hartmann? Wirkt so entspannt, wie es wohl nur ein 17-Jähriger sein kann.
Man muss es betonen: 17 Jahre ist er erst alt, Jahrgang 2004. Auch in der kommenden Saison könnte er noch in der NBBL spielen. 13,7 Punkte legt er diese Spielzeit für die U19 auf, gleichzeitig verbucht er 11,4 Zähler im Schnitt in seiner ersten vollständigen ProB-Saison. Gegen Gießen waren es in drei aufeinanderfolgenden Spielen 23,3 Punkte, dazu 4,7 Rebounds.
Als er im NBBL-Viertelfinale gegen IBAM kurz vor dem Ende einen wichtigen Dreier trifft, explodiert der Audi Dome. Knapp 1000 Fans sind in der Halle, nicht nur Freunde und Familie, sondern wirkliche Basketballfans. Man könnte eingeschüchtert sein als junger Spieler, doch Hartmann sagt: „Die Kulisse hat unser Spiel nicht verändert.“
Erfahrungen in der ProB
Aus der ProB weiß er, wie es ist, wenn die Halle voll ist. So wirkt er fast schon abgeklärt, cool, erfahren. „Er hat alles bei uns durchlebt, ist schon ewig im Verein. In NBBL und ProB hat er in dieser Saison viel Verantwortung übernommen und das bravourös gemacht“, ist Andreas Wagner, technischer Direktor der Nachwuchsabteilung und im Trainerteam der U19, voll des Lobes für Hartmann.
Dessen Weg zum Basketball? Klassisch: Angefangen hat es mit Fußball, doch irgendwann musste der große Basti ins Tor. Die Eltern sind nur mäßig begeistert. In der Schule wird eine Basketball-AG angeboten. Und auch, wenn am Anfang noch beide Sportarten nebenherlaufen, entscheidet sich Hartmann schnell für den Basketball. Von Bad Aibling geht es nach Rosenheim, wo er in den Duellen mit den Jugendmannschaften des FCBB auffällt. Als Gastspieler nimmt er am Training bei beiden Vereinen teil, doch sein Gefühl sagt ihm, dass der Schritt zu Bayern die richtige Entscheidung wäre. Er geht er nach München.
Von der U14 an bedeutet das: Viele Stunden im Zug. Von Bruckmühl über Holzkirchen zum Hauptbahnhof, da in die U-Bahn, dann in den Bus. Der Vater sammelt ihn nach dem Training häufiger ein, das spart Zeit. „Der Aufwand, den er betrieben hat, ist Wahnsinn. Aber er hat das toll organisiert“, schwärmt Wagner.
Als er 17 ist, wird es etwas besser: Erst begleitetes Fahren, dann, als Nationalspieler, die Sondergenehmigung zum Alleinfahren. Sein Auto spart ihm nun täglich fast zwei Stunden.
„Er versteht das Spiel“
Mehr Zeit, um Basketball zu schauen: „EuroLeague, NBA-Playoffs!“ Da die Eltern hier sicher mitlesen, schiebt er wegen der Abi-Prüfungen schnell grinsend nach: „Aber momentan natürlich nicht live!“
Sind die großen Ligen auch sein Ziel? Er sagt: „Mein ganzes Leben dreht sich um Basketball. Aber wie es weitergeht, weiß ich noch nicht, ich muss in mich reinhören.“ Andreas Wagner sieht in ihm einen „europäischen Spieler, er ist ein besserer Fünf-gegen-Fünf- als Eins-gegen-Eins-Spieler“, dem in Europa der Weg offen stehe.
Und was meint Hartmann? Profi werden, ans College gehen, oder etwas ganz anderes machen? „Für mich sind alle Optionen offen. Aber ich möchte den Basketball-Weg weitergehen.“
Vorher geht es allerdings in Frankfurt um die Deutsche Meisterschaft. Mit einer Einstellung, die so gar nicht bayern-typisch ist: „Berlin hat noch nicht verloren, Vechta und Ulm sind bärenstark – wir sind der Underdog“, sagt Hartmann, um darauf selbstbewusst zu betonen, dass diese Rolle nicht die schlechteste sei.
Was ein Leader so macht
„Ich denke, dass ich eine starke Persönlichkeit habe“, sagt er, angesprochen auf seine Qualitäten auf dem Parkett. Dieser junge Mann spricht generell druckreif, formuliert mit großer Selbstverständlichkeit und Klarheit. „Ich bin vielseitig, habe viele Optionen. Man kann mir nicht einfach eine Sache wegnehmen. Und ich glaube, dass ich immer alles fürs Team gebe, versuche die anderen aufzumuntern.“
Coach Wagner stimmt zu: „Er ist ein guter Verteidiger, man darf ihn nicht draußen stehen lassen, aber er hat auch einen guten Drive. Vor allem aber versteht er das Spiel wie kein anderer, er hat einen extrem hohen Basketball-IQ.“
Im Team von FCBB-Trainer Khee Rhee ist für Hartmann die Position des Leaders vorgesehen. Dass er gegen Schwabing in den entscheidenden Phasen den Ball in der Hand hielt, ist ihm eine Ehre: „Das habe ich mir erarbeitet über die letzten Jahre. Aber das Vertrauen zu bekommen, ist ein Erfolg, den man spürt.“
Und wenn die Bayern es ins Finale schaffen, kurz vor dem Schluss die Partie wieder eng ist, wer nimmt dann den letzten Wurf? „Ich bin sicher einer der Kandidaten. Aber es kommt auf die beste Option an. Wenn der Pass auf Luis (Wulff) oder jemand anders die bessere Chance bietet, bekommt er natürlich den Ball.“ Wie es ein Leader eben so macht.