

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Es liefen bereits die letzten zehn Spielminuten von der Uhr, da erkämpften sich Alphonso Davies und Leroy Sané gemeinsam noch einmal den Ball in der eigenen Hälfte. Es war einer von vielen Zweikämpfen in diesem Topspiel gegen Eintracht Frankfurt, immer wieder hatte der FC Bayern den Gästen mit aggressivem Pressing die Luft zum Atmen und den Ball zum Spielen genommen. Diesmal spielte Sané ihn gleich weiter zu Jamal Musiala, der ihn aufnahm und sogleich gehörig Tempo machte.
Mit jedem Schritt wurde der Mittelfeldspieler schneller und noch schneller. Es schien fast, als würde der 21-Jährige urplötzlich wie von einem starken Magneten Richtung Frankfurter Tor gezogen. Der erste, der sich ihm von der Eintracht in den Weg stellen wollte, war Rasmus Kristensen. Der dänische Nationalverteidiger trug seit einem schmerzhaften Kopfballduell mit Thomas Müller Mitte der ersten Hälfte einen weißen Verband als Turban um den Kopf. Eine doppelte Körpertäuschung von Musiala war diesmal zu viel für ihn – Kristensen drehte sich, schlingerte. Und schon war der Angreifer an ihm vorbeigedribbelt. Von rechts kam Ansgar Knauff dem immernoch schlingernden Kristensen zu Hilfe. Wieder setzte Musiala zu Körpertäuschungen an – während Knauff gegen einen Drehwurm kämpfte, nutzte Kristensen das, um aufzuholen. Der Frankfurter Verteidiger traf Musiala in der Kniekehle und irgendwie wohl auch den Ball, der Knauff in der Folge an die Ferse sprang. Auch Musiala sank nun getroffen von Kristensen für einen Moment auf die Knie - stand aber postwendend wieder auf den Beinen. Den nächsten Augenblick der Verwirrung nutzte Jamal Musiala zum wuchtigen Abschluss mit links ins lange Eck – der Ball schlug hinter Kevin Trapp im Frankfurter Tor zur Entscheidung ein: 3:0. Ein Treffer, fast so schön, als wäre er mit Aquarell gezeichnet.

„Der Fleiß, die Spielfreude – all das war da", meinte Vincent Kompany später. „Wir haben heute einfach sehr, sehr gut gespielt.“ Die Szene des 3:0 – vom aggressiven, gemeinsamen Ballgewinn bis hin zum Sololauf mit Torabschluss – sie war ein Abbild dieses Spiels und der Spielanalyse des Cheftrainers. Und Kompany war nicht der einzige, der staunte: „Wir haben eine sehr überzeugende Leistung von unserer Mannschaft gesehen. Es war ein überzeugender Sieg, nach meinem Dafürhalten auch in der Höhe verdient“, freute sich Herbert Hainer, der Präsident. Und der Vorstandsvorsitzende Jan-Christian Dreesen meinte glücklich: „Wir haben heute richtig guten Fußball gespielt und das hat Freude gemacht.“
Nur eine Viertelstunde ebenbürtig
Bis die Freude aufkommen konnte, verging jedoch nach Anpfiff eine Viertelstunde. In der trat die Eintracht mit dem Mut eines Tabellendritten auf, dem es bislang in dieser Saison als einzige Mannschaft der Bundesliga gelungen war, dass eine Bayern-Führung nicht gleichzeitig auch einen Bayern-Sieg bedeutete: Beim 3:3 im Hinspiel in Hessen hatte Frankfurt ein 0:1 in ein 2:1 und später ein 2:3 noch in ein 3:3 gemünzt. „Wir wussten, dass es ein schweres Auswärtsspiel wird – gegen die aus meiner Sicht beste Mannschaft in Deutschland“, sagte Frankfurts Ansgar Knauff: „Am Ende hat sich die brutale Qualität des FC Bayern durchgesetzt.“
Späte Führung
Die Führung fiel – obwohl der FC Bayern nach 15 Minuten mehr und mehr die Überhand gewann und einige gute Chancen herausgespielt hatte – erst in der Nachspielzeit der ersten Hälfte. Bevor Jamal Musiala mit feinem Steilpass Leroy Sané in den Sechzehnmeterraum geschickt und dieser auf Michael Olise quergelegt hatte, war der FC Bayern noch zu umständlich vor dem Gästetor aufgetreten. Nun drückte Olise den Querpass humorlos über die Linie – und die Gastgeber durften die drückende Überlegenheit von zeitweise 70 Prozent Ballbesitz auch mit einer verdienten Führung mit in die Kabine nehmen.
„Nicht alles war schlecht“, meinte Gästetorwart Kevin Trapp zwar und sprach vor allem eine gute Chance durch Ekitiké nach sechs Minuten an: „Aber Bayern hat eine Qualität, die man nicht immer verteidigen kann, und nutzt jede Gelegenheit gnadenlos aus. Dass Bayern eine absolute Top-Mannschaft ist, das Maß aller Dinge, ist klar.“ Mit zunehmender Spieldauer unterliefen der Eintracht jetzt Konzentrationsfehler – provoziert durch das an diesem Tag herausragend starke Pressing der Gastgeber.
„Der zusätzliche Tag hat uns gutgetan – die zwei extra Trainingstage, die Ruhe. Das hat man heute direkt gesehen“, sagte auch Vincent Kompany: „Heute haben wir einfach sehr gut gespielt, wir hatten unsere Chancen, unsere Möglichkeiten.“ Und diese nutzte der FC Bayern an diesem Tag eiskalt: Hiroki Ito, einer von sechs Neuen in der Startformation nach dem Playoffspiel in der Champions League gegen Celtic Glasgow, stand nach einem Eckball goldrichtig und traf volley ins leere Tor (61.). Dann folgte Musialas Zaubertanz zur Entscheidung (83.), ehe in der Nachspielzeit der eingewechselte Serge Gnabry auf Zuspiel von Kingsley Coman den Schlussstrich zog (4:0, 90.).
„Super Bayern, super Bayern“
„Wir haben 4:0 gewonnen - verdient gewonnen, mit hoher Intensität gespielt. So ein Sieg macht Spaß“, freute sich der agile Thomas Müller, der für Harry Kane in der Sturmspitze begonnen hatte. „Wir sind ruhig geblieben und haben uns auf unser Ziel fokussiert: den Drittplatzierten der Bundesliga zu Hause zu schlagen. Das haben wir geschafft“, meinte Sportvorstand Max Eberl. Und die Südkurve, die feierte überschwänglich seit längerem mal wieder mit dem beliebten „Super Bayern, super Bayern, hey hey" einen gelungenen Sonntagabend.

Bereits am Freitag folgt das nächste Topspiel für den FC Bayern, der dann zum VfB Stuttgart muss. In der Defensive machen drei Bundesligaspiele in Folge, 303 Minuten ohne Gegentor, Hoffnung. In der Offensive ein Galaauftritt mit vier Toren gegen den Tabellendritten. Und insgesamt die 58 gesammelten Punkte – was die beste Bundesligasaison seit sieben Jahren für den FC Bayern bedeutet. Doch das Wichtigste fasste Vincent Kompany noch einmal zusammen: „Jetzt geht es ruhig weiter", meinte der Cheftrainer. In der Ruhe nämlich, da liege die Kraft - bis zum nächsten Spiel: „Da wollen wir wieder gewinnen.“
Die Stimmen zum Heimspiel gegen Frankfurt:
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