




In der 125-jährigen Geschichte des FC Bayern gab es viele Ereignisse, ohne die die Geschicke des deutschen Rekordmeisters vielleicht eine andere Wendung genommen hätten. Da wäre etwa die legendäre Watschn, die den jungen Franz Beckenbauer in den Fünfziger Jahren davon überzeugte, lieber doch kein „Blauer“, sondern ein „Roter“ zu werden. Dazu auch „Katsche“ Schwarzenbecks Ausgleichstreffer in letzter Minute im Landesmeisterfinale 1974 gegen Atlético Madrid – aber eben auch der Verkauf des damals 28 Jahre alten Ausnahmeangreifers Karl-Heinz Rummenigge zu Inter Mailand zehn Jahre später.

Das mag zunächst kurios klingen, verloren die Bayern damals im Sommer 1984 in dem zweimaligen Ballon d’Or-Gewinner (1980, 1981) einen der besten Torjäger seiner Zeit. Die finanzielle Situation zwang den damaligen Manager Uli Hoeneß aber zum Handeln: Der Starstürmer wechselte für die bis dato zweithöchste jemals gezahlte Ablöse in die Serie A und sanierte damit seinen bisherigen Arbeitgeber. Der FCB war mit einem Schlag schuldenfrei – und blieb das bis heute, wie Hoeneß später erklärte. Natürlich profitierte auch Rummenigge von dem Transfer, lernte im Süden das Dolce Vita kennen und wurde wohl auch durch seine drei Jahre in Italien zu dem Mann von Welt, der bis heute großen Einfluss auf den Fußball hat.
Duell zweier Top-Mannschaften
Wenn der FC Bayern und Inter Mailand nun in der Runde der letzten Acht in der Champions League aufeinandertreffen, schlagen daher auch zwei Herzen in Rummenigges Brust: „Für mich persönlich wäre es das ideale Finale gewesen, weil ich beiden Clubs nahestehe. Es tut mir leid, dass einer von beiden am Ende rausgehen muss.“ Bis dahin werden sich aber beide Teams einen großen Kampf liefern, glaubt der 69-Jährige: „Das werden zwei schwere Spiele, da braucht man nicht drum herumreden. Das sind beides Mannschaften auf Top-Niveau.“
„Wir müssen einfach versuchen, das Niveau zu spielen, wie wir es in den zwei Spielen gegen Leverkusen geschafft haben. Dann haben wir eine Chance.”
Karl-Heinz Rummenigge
Wer am Ende das Rennen machen wird, möchte Rummenigge nicht beantworten: „Es braucht keiner glauben, wir sind Favorit. Das sind wir nämlich nicht“, mahnt der langjährige Vorstandsvorsitzende des FC Bayern, der das Abschneiden seiner Ex-Clubs genau verfolgt: „Inter war nicht zufälligerweise vor ein paar Jahren gegen Manchester City im Champions-League-Finale und hatte City damals schon am Rande einer Niederlage.“ Die Bayern werden daher „zwei Top-Tage haben müssen, hier in München und dann eine Woche später im Rückspiel in Mailand, um das große Ziel, das Halbfinale, zu erreichen.“
Inters Defensiv-Bollwerk
Großen Respekt hat Rummenigge insbesondere vor der Hintermannschaft der Italiener: „Inter hat eine tolle Abwehr, ihre Defensive verdient eine Einsplus.“ Gerade einmal zwei Gegentore ließ der amtierende italienische Meister in den bisherigen zehn Partien dieser Champions League-Saison zu, achtmal stand am Ende hinten die Null – beides mit Abstand Bestwert im laufenden Wettbewerb. Dennoch traut Rummenigge den Bayern zu, auch dieses Bollwerk überwinden zu können. „Man kann jede Abwehr knacken“ – wenn die Leistung stimmt, sagt Rummenigge und erinnert an die starken Auftritte der Bayern im Achtelfinale gegen Bayer 04 Leverkusen: „Wir müssen einfach versuchen, das Niveau zu spielen, wie wir es in den zwei Spielen geschafft haben. Dann haben wir eine Chance.“

Die Nerazzurri können laut Rummenigge aber nicht nur verteidigen. Auch die Offensive sei hochkarätig besetzt rund um dem argentinischen Weltmeister Lautaro Martínez oder den langjährigen Bundesliga-Stürmer Marcus Thuram. Im Mittelfeld haben die Münchner zwar Vorteile, da „sind wir etwas dominanter“, sagt das heutige Aufsichtsratsmitglied des FC Bayern, einen Trumpf haben die Italiener aber noch in der Hinterhand: „Wir müssen versuchen, im Hinspiel schon ein ordentliches Ergebnis zu erzielen, weil drüben in Mailand wird dann der Kessel in San Siro kochen.“
Ob dann auch Karl-Heinz Rummenigge im altehrwürdigen Giuseppe-Meazza-Stadion dabei sein wird, ließ er noch offen. Er wolle erst nach dem Hinspiel entscheiden, ob er sich dem Münchner Tross nach Mailand anschließen wird. Die Reise in den Norden Italiens würde sich auf jeden Fall lohnen – denn eines steht auch schon fest: Zumindest auf die Geschichte der Bayern in dieser Saison wird sie großen Einfluss haben.
Rummenigge erhielt unlängst die UEFA-Ehrenmitgliedschaft:
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