Bernd Rauch, FC Bayern

Bayerns Baumeister Bernd Rauch

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Es begann mit der Olympiahalle – von der Allianz Arena über den Audi Dome bis zum FC Bayern Campus: Überall hatte Bernd Rauch seine Finger im Spiel. Auch der Aufbau der Basketball-Abteilung war sein Ding. Ein Energiebündel feiert am Samstag seinen 80. Geburtstag.

Die beiden Männer standen in einem Raum voller Bauschutt. Frei liegende Rohre ragten aus den Wänden, lose Kabel hingen aus Steckdosen, alles überdeckt vom Staub, der sich in einem Gebäude ansammelt, das über Jahre ein Dasein im toten Winkel der Stadt und ihrer Bewohner fristet. „Um überhaupt reinzukommen“, erinnert sich Bernd Rauch, „haben wir Gebüsche wegschneiden müssen.“ Er weiß noch genau, wie sie damals die Räumlichkeiten inspizierten, er war einer der zwei Männer. Der andere: Uli Hoeneß. Die beiden ließen sich vom bedauernswerten Zustand der Rudi-Sedlmayer-Halle am Münchner Westpark nicht schrecken. Inzwischen ist längst alles auf Hochglanz poliert – der Audi Dome wurde zur Heimat der FC Bayern Basketballer.

FC Bayern, Audi Dome
Dank des Engagements von Bernd Rauch und Uli Hoeneß ist der Audi Dome seit mehr als einem Jahrzehnt die Heimat der FC Bayern Basketballer.

Viele Jahre nach der Ortsbegehung sitzt Bernd Rauch exakt in dem Raum, in dem er damals mit Uli Hoeneß Weichen gestellt hat. Heute werden hier die VIPs bewirtet, das Service-Personal balanciert Tablette voller Getränke und Teller mit Fisch oder Burgern zwischen gut gefüllten Tischen herum, und bevor man raus zum Spielfeld geht, kann man sich noch mit Süßigkeiten eindecken. „Da hinten“, sagt Rauch und deutet auf die Bar, „da war damals ein Elektroraum.“ Man musste zwischen Schutt und Asche viel Fantasie haben, um vorherzusehen, wie sich alles entwickeln könnte.

Bernd Rauch feiert am 8. April seinen 80. Geburtstag – und sein ganzes Leben kennzeichnet, dass er einen Blick für das hat, was möglich ist. Von 1992 bis 2002 war er Mitglied des Verwaltungsbeirats des FC Bayern, als 2. Vizepräsident zeichnete er zwischen 2002 und 2012 für die Entwicklung der Abteilungen des eV verantwortlich – und er wurde über die Jahre zum inoffiziellen Baumeister des Clubs, im wörtlichen wie übertragenen Sinn: Ob die Allianz Arena oder der Campus heute ohne ihn stünden, ob der Audi Dome ohne ihn heute so erstrahlen würde, das ist mehr als fraglich. Und auch dass die Basketball-Abteilung professionalisiert wurde, muss man Rauchs Antriebskraft zuschreiben.

FC Bayern, Audi Dome, Rudi-Sedlmayer-Halle
Der Audi Dome ist die Heimat der FC Bayern Basketballer.

Zum Gespräch hat Rauch Notizen mitgebracht, bunt markiert in leuchtendem Textmarkergrün, -gelb, -orange: Der Mann ist top organisiert und auf Zack, und er möchte nichts vergessen, was auch schade wäre, denn er hat viel zu erzählen. Wo wir uns hinsetzen wollen? Vielleicht dort drüben an den Tisch, da ist es heller, sagt er, ganz Architekt mit Blick für den Raum. Seine Eltern hatten eigentlich vorgesehen, dass er zu Hause die Schreinerei des Vaters übernimmt, doch über den zweiten Bildungsweg sowie sein Studium zog es Rauch bald in die weite Welt – und nach München, pünktlich im Vorfeld der Olympischen Spiele 1972, die die Stadt wie sein Leben geprägt und verändert haben.

Bernd Rauch, Basketball, FC Bayern Basketball
Die große Leidenschaft Rauchs stellt der Basketball dar. Der heute 80-Jährige war treibende Kraft bei der Etablierung der Profi-Basketballmannschaft.

Im Lauf der Zeit kommt man immer wieder mal an Weggabelungen – Bernd Rauch stand in seinem Leben an einer entscheidenden Kreuzung auf Krücken. Zwei Tage zuvor war er noch wegen einer Wette mit italienischen Studienkollegen auf dem Skeleton den Eiskanal von Sankt Moritz hinuntergedonnert, was er trotz Muffensausen so gut überstanden hatte, dass er sich 24 Stunden später beim Skifahren („da war ich ein verrückter Bursche“) vor lauter Übermut an einem Felsen den Oberschenkel brach. Zurück in München sagte er sich, er müsste jetzt mal das Gelände am Oberwiesenfeld besichtigen, wo die Olympia-Vorbereitungen auf Hochtouren liefen. „Du kommst ja vom Bau, das geht doch nicht, dass du dich da noch gar nicht drum gekümmert hast, dachte ich mir“, erzählt er, „dann stand da ein Schild: Bauleiter gesucht!“ Spontan stellte er sich vor, und als man ihm sagte, mit Krücken könne er unmöglich auf der Baustelle arbeiten, warf er die Gehhilfen weg und sagte: „Schaut her, ich laufe wie ein Hase!“ Tief beeindruckt von so viel Tatendrang, wurde er umgehend eingestellt.

Einer für eiskaltes Wasser

Der VIP-Raum des Audi Domes füllt sich mehr und mehr, Präsident Herbert Hainer schaut bei Rauch auf einen Plausch vorbei, und dann sitzt auch Jürgen Muth mit am Tisch. Der heutige Chef der Allianz Arena ist seit Jahrzehnten ein Wegbegleiter. Um den Auftrag für den Bau der Messe in Shanghai an Land ziehen zu können, stellte Rauch einst ein Team zusammen: „Ich brauchte einen großen Deutschen mit ausgeprägter Nase, das weckte in Asien damals Respekt. Dazu eine fähige Assistentin – und Jürgen Muth.“ Das Quartett flog über Singapur nach China, vor der Landung kam Rauchs Order, ohne Zwischenstopp im Hotel und ungeduscht zu den Verhandlungen durchzustarten. „Schauen Sie her“, sagte er den Messe-Planern, „wir stehen für pausenlose Arbeit, wir verlieren keine Zeit, wir sind für unsere Projekte rund um die Uhr parat!“ Selbstverständlich bekam man so den Zuschlag. Muth lächelt, wenn er Rauch beschreiben soll: „Er hat eine enorme Begabung, Menschen zu überzeugen. Seine Energie ist auch jetzt wieder hier am Tisch zu spüren. Und Bernd ist einer der wenigen Menschen in meinem Leben, für die ich sogar in eiskaltes Wasser steigen würde.“ 

Bernd Rauch, Herbert Hainer, Jürgen Muth, FC Bayern
Bernd Rauch im Gespräch mit Präsident Herbert Hainer sowie seinem langen Weggefährten Jürgen Muth.

Unter anderem die Olympiahalle, das Klinikum Ingolstadt, die Neue Messe Leipzig, die Neue Messe München, die Messe Stuttgart, das Porsche-Werk in Leipzig, Shanghai – Rauchs Vita ist voller Großprojekte, die bis heute das Leben vieler Menschen prägen, und nachdem er im Alter von 58 Jahren seine Firma veräußerte, widmete er sich mit all seinem Elan ehrenamtlichen Aufgaben im Sportbereich. Im Vorstand der Stiftung Deutsche Sporthilfe half er Athletinnen und Athleten in den verschiedensten Sparten, denn der Sport war immer sein großes Steckenpferd. Für sein Engagement erhielt er das Bundesverdienstkreuz sowie den Bayerischen Verdienstorden, und das vielschichtige Spektrum fand er später auch als Vizepräsident des deutschen Rekordmeisters wieder. Eines Tages schwärmte ihm Paul Breitner auf einer Champions League-Reise aus seiner Zeit bei Real Madrid von den königlichen Basketballern vor – woraufhin die Frage aufkam: Warum zieht man nicht auch hier so was auf?

Rauch saß schließlich eines Tages bei Uli Hoeneß im Büro, um wieder einmal für den Aufbau eines professionellen Basketball-Teams zu trommeln. Wenn, sagte Hoeneß, machen wir es richtig. Die beiden gaben sich die Hand, der nächste Schritt war eine Befragung der Mitglieder, ob sie das Projekt befürworten würden. Am Montag kam zu dem Thema kein einziges Rückschreiben, auch am Dienstag nicht. Rauch, das Energiebündel, konnte den Gedanken nicht ertragen, dass die Post ihre Zeit brauchen könnte. „Ich komm erst wieder an die Säbener, wenn Antworten da sind“, sagte er. Am Donnerstag klingelte sein Handy: Es würden Antworten der Mitglieder eintrudeln – kistenweise! 23.000 hatten sich am Ende beteiligt, mit 75 Prozent Zuspruch. Der Rest ist (Basketball-)Geschichte.

Bernd Rauch, Allianz Arena, München
Bernd Rauch trug mit seinen Plänen für den Bau der Allianz Arena maßgeblich zum heutigen Stadtbild Münchnens bei.

Doch nicht nur im Basketball hat Rauch in der Vereinsgeschichte Spuren hinterlassen. Während des Gesprächs zieht er zwei Mappen hervor: Skripte, die die Debatte rund um den Bau der Allianz Arena dokumentieren. Die Stadt München hatte 2000 in einer Studie noch behauptet, es gäbe keinen Standort für ein solches Vorhaben – hier stünde es schwarz auf weiß, sagt Rauch und deutet in eine der beiden Mappen. Dann zieht er das zweite Skript zu sich: Bereits ein Jahr später – zwischendurch war der Umbau des Olympiastadions endgültig vom Tisch gewischt worden – hatte Rauch insgesamt 20 Optionen für eine neue Fußballarena herausgefunden. Vorausgegangen war ein Brief von Franz Beckenbauer, er solle sich doch bitte als Sonderbevollmächtigter der Sache annehmen. Am Ende kristallisierte sich Fröttmaning als idealer Platz heraus. Noch heute ist Rauch bei allen Projekten, bei denen er seine Finger im Spiel hatte, am meisten stolz auf die Allianz Arena, bei der er später auch noch ein gutes Jahr als Geschäftsführer tätig gewesen ist.

Picasso im Terminkalender

Marko Pesic schaut ebenfalls am Tisch vorbei, an dem Rauch seine Gesprächsunterlagen neu sortiert. Der Geschäftsführer der Basketballer lächelt breit. „Schaut ihr – das ist so typisch für Bernd: Als ich ihn kennengelernt habe, hat mich unter anderem sein Terminkalender beeindruckt, wie er den geführt hat, in verschiedenen Farben und mit einer Schrift, so klar und sauber wie von Pablo Picasso oder sonst einem Künstler“, erzählt er mit Blick auf die Materialien zwischen der Espresso-Tasse und den Häppchen auf dem Tisch. „Ich wollte das immer auch so schaffen, habe es aber nie so hinbekommen“, gibt Pesic zu.

Bernd Rauch, FC Bayern
Der Arena-Planer: Bernd Rauch gestaltete mitunter die Allianz Arena, den Audi Dome sowie den FC Bayern Campus.

Strukturiert-engagiert: So ist Bernd Rauch auch bei dem Gelände vorgegangen, auf dem heute der FC Bayern Campus steht. Er sorgte damals dafür, dass der Verein das Grundstück kaufte, und dann lautete die Herausforderung, in zahllosen Gesprächen mit der Stadt das Baurecht zu gestalten. Schon seit den Zeiten von Präsident Wilhelm Neudecker hatte der deutsche Rekordmeister lange auch eine Fläche am Tegernsee in seinem Besitz, doch als daraus eines Tages ein Naturschutzgebiet wurde, waren die Nutzungsmöglichkeiten plötzlich überschaubar gering geworden. Auf vielen Mitgliederversammlungen war es ein Running Gag, wenn der damalige Finanzvorstand Karl Hopfner das Grundstück bei den Bilanzen des FC Bayern auflistete, das der Club erst spät mit einiger Mühe abstoßen konnte. Für Rauch wäre es ein Horror gewesen, hätte sich die Geschichte in der Fröttmaninger Heide wiederholt – „da wäre ich bekannt geblieben für alle Zeiten, aber nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte“. Die Sorge hat sich inzwischen erledigt, der Campus floriert.

Bernd Rauch, FC Bayern, FC Bayern Basketball
Regelmäßig zu Gast im Audi Dome: Rauch mit Präsident Herbert Hainer und Verwaltungsbeirätin Alexandra Schörghuber.

Es sind jetzt nur noch ein paar Minuten, bis das EuroLeague-Spiel der FC Bayern Basketballer gegen Alba Berlin beginnt. Rauch packt seine Unterlagen zusammen, und es grenzt an ein Wunder, dass es ihm gelungen ist, eine derart vollgepackte Lebensgeschichte fristgerecht zu Ende zu erzählen, ehe es alle raus zum Court zieht. Wobei, was heißt Wunder? „Sind Sie eigentlich immer pünktlich?“, wird er zum Abschied gefragt. Rauch lächelt: „Ich war ja schon eine halbe Stunde vorher hier, darum konnten wir doch bereits alle Fotos erledigen und hatten genug Zeit für unser Gespräch.“ Alles durchorganisiert, wie immer. Ob es bei ihm zu Hause irgendwo eine Wand gibt mit einem Plan, auf dem Stecknadeln die ganzen Projekte markieren, die er in seinem Leben realisiert hat? Rauch lächelt nochmals: Nein, so was habe er nicht. „Ich habe die Stecknadeln alle in meinem Herzen.“

Dieser Artikel ist in der aktuellen Ausgabe des FC Bayern Mitgliedermagazins „51“ erschienen.

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