Seit jeher steht der FC Bayern in der Bundesliga für mitreißenden Offensiv-Fußball - eine Spielzeit sticht in seiner 57-jährigen Zugehörigkeit zur höchsten deutschen Spielklasse aber noch einmal hervor: Vor auf den Tag genau 50 Jahren beendete der deutsche Rekordmeister die Spielzeit 1971/72 mit bis heute unerreichten 101 Saisontoren. Am letzten Spieltag schlug das Team des damaligen Trainers Udo Lattek den FC Schalke 04 in einem echten Endspiel um die Meisterschaft mit 5:1 - es waren jedoch nicht die einzigen Gründe, warum dieser Tag ein historischer für die Münchner war.
Premieren im Meisterschaftsendspiel
Die Voraussetzungen für das Bundesliga-Finale an jenem 28. Juni 1972 hätten besser nicht sein können: Wenige Wochen vor Eröffnung der Olympischen Sommerspiele in München feierten die Bayern ihre Premiere vor knapp 80.000 Zuschauern im neuerbauten Olympiastadion. Den Spitzenreiter FCB trennte vor dem Anstoß nur ein Punkt von Verfolger Schalke, mit einem Sieg hätten die Gäste den Hausherren die Meisterschaft also noch im letzten Spiel der Saison entreißen können. Diese brisante Konstellation sorgte selbstverständlich für Aufsehen: Während die übrigen Partien des 34. Spieltags um 15:30 Uhr angepfiffen wurden, wurde das Spitzenspiel auf 20 Uhr verlegt, um dem Bayerischen Rundfunk erstmals die Live-Übertragung eines Bundesliga-Spiels ermöglichen zu können.
„Schalke musste nur hinterherlaufen“
Gerade einmal zehn Tage lag es vor Anpfiff zurück, dass sich die deutsche Nationalmannschaft um die Bayern-Achse Sepp Maier, Franz Beckenbauer, „Katsche“ Schwarzenbeck, Paul Breitner, Uli Hoeneß und Gerd Müller in Belgien zum Europameister gekrönt hatte. Auf Seiten der Gelsenkirchener war Erwin Kremers beim EM-Triumph dabei, der im Verein mit „Stan“ Libuda und Klaus Fischer ein gefährliches Angriffstrio bildete. Doch echte Torgefahr sollte an diesem Tag meist nur von einer Mannschaft ausgehen: „Ich erinnere mich noch an das Spiel gegen Schalke. Der Sieger war Meister. 5:1 haben wir die geputzt“, fasste der 2015 verstorbene Meistertrainer Lattek die Partie vor rund zehn Jahren in einem Interview zusammen: „Schalke hatte keine Chance, die mussten nur hinterherlaufen, die haben mir fast leid getan.“
In der 31. Minute eröffnete der Däne Johnny Hansen den bayerischen Torreigen. Keine zehn Minuten später folgte das 2:0 durch Breitner (40. Minute). Nach der Halbzeitpause konnte Königsblau zwar durch Fischer (55.) verkürzen, doch davon ließen sich die Roten nicht beirren. In der 69. Minute erhöhte Willi Hoffmann auf 3:1, ehe es dann in der Schlussphase historisch wurde. Hoeneß erzielte in der 80. Minute das 4:1 und sorgte mit dem 100. Tor der Bayern in der Saison für einen ganz besonderen Eintrag in den Geschichtsbüchern. Doch damit nicht genug! In der Schlussminute legte der „Kaiser“, Franz Beckenbauer, per Freistoß noch einen weiteren Treffer nach.
100 Saisontore gelangen nur zwei Teams
„Es ist sicher ein Faktor, wenn es bis zum letzten Spieltag spannend bleibt und du die Konzentration hochhalten musst“, erklärte Mittelfeldmotor „Bulle“ Roth Jahre später im Gespräch mit einer Münchner Tageszeitung den unbändigen Torhunger seiner damaligen Mannschaft: „Wenn es damals nicht so entscheidend gewesen wäre, hätten wir das ein oder andere Tor vielleicht nicht gemacht.“ Angriffe auf den eigenen Rekord starteten die Bayern in der Folge einige - doch auch nach 50 Jahren wurde die Bestmarke noch nicht geknackt. In der Saison 2019/20 gelang es den Münchnern ein zweites Mal, die 100-Tore-Marke zu erreichen, Treffer Nummer 101 fiel jedoch nicht. Und auch 2020/2021 schrammten die Bayern ganz knapp an ihrem Rekord vorbei: 99 Treffer standen am Saisonende auf ihrem Konto.
Ausgerechnet derjenige, der seinerzeit so etwas wie die personifizierte Torgefahr darstellte, ging bei der denkwürdigen Torgala gegen Schalke vor 50 Jahren übrigens leer aus. Die königsblauen Verteidiger hatten an diesem Abend zumindest Gerd Müller einigermaßen im Griff, auch wenn dessen Kollegen die dadurch entstandenen Freiräume bestens nutzen konnten. Müller konnte es verkraften, stand der zu diesem Zeitpunkt wohl beste Angreifer der Welt doch vor dem Saisonfinale mit uneinholbaren 40 Treffern ohnehin bereits als Torschützenkönig fest. Auch der Bomber setzte damit eine Rekordmarke, an der sich Generationen von Bundesliga-Stürmern 49 Jahre lang die Zähne ausbeißen sollten, um auch nur in ihre Nähe zu kommen. Im Mai 2021 gelang dann aber einem gewissen Robert Lewandowski quasi in letzter Minute der Spielzeit 2020/21 mit seinem 41. Saisontor doch noch ein neuer Bestwert. Damit bewies der Pole: Auch die größten Rekorde bleiben nicht auf ewig unantastbar.
Vor 90 Jahren wurde der FC Bayern erstmals Deutscher Meister - ein Rückblick:
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