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Gordie Herbert im großen Interview
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Gordon Herbert: „Ich habe einen großartigen Job, den ich liebe“

Als er das auf der letzten Pressekonferenz erzählte, nach dem dritten Finaltriumph über Ulm zur Meisterschaft, wurde ihm selbst, aber auch allen anderen im Saal noch einmal der komplette Irrsinn der zurückliegenden Saison klar: Vor genau einem Jahr, an einem 27. Juni, habe er die Vorbereitung mit dem deutschen Nationalteam für Olympia 2024 begonnen, berichtete Gordon Herbert – und exakt 365 Tage später, nach Paris und dann 83 Pflichtspielen mit den Bayern-Basketballern (die er nach nur zwei  „freien“ Tagen übernahm), gewann er als FCBB-Chefcoach den ersehnten Titel. Am 26. Juni 2025: schachmatt, erleichtert und happy.

Und jetzt? Jetzt hat Gordie Ferien, nach vielen Jahren mal wieder etwas Sommerurlaub. Seit einer Woche ist der 66-jährige Kanadier in seiner zweiten Wahlheimat in Pyhämaa (übersetzt: Heiliges Land), einem winzigen, abgeschiedenen Ort in Westfinnland, „am Ozean in den Wäldern“, wie er berichtet: Holzhacken, Rodung, frische Luft und, das schon, ein paar Telefonate zur nächsten Saison in München. Wie dieses hier, für einen Sommerplausch über Vergangenes und das, was kommt, demnächst.

In Finnland erholt sich Gordon Herbert von der langen Saison
In Finnland erholt sich Gordon Herbert von der langen Saison | © FCBB

Gordie, was treibst Du in Finnland?

GORDON HERBERT: „Ich habe hier an unserem Sommerhaus 1,7 Hektar, viel Arbeit. Aber draußen zu sein, das tut gut. Das Meiste mache ich selber, nur für die Arbeit an den Felsen lasse ich jemanden kommen. Die Waldarbeit hilft mir, zu entspannen, das ist Therapie. Es hat ein paar Tage gebraucht, bis die Erholung einsetzte. Dass wir die Meisterschaft gewonnen haben, hat mich ja in dem Moment gar nicht richtig berührt – weil wir von Spiel zu Spiel gerast sind. Aber jetzt ist das langsam verarbeitet und am Wochenende werde ich mit Kajakfahren beginnen, um weiter zu erholen. Doch erst muss ich hier die Natur rund um das Haus noch etwas bearbeiten.“

83 Spiele waren es mit den Bayern. Schon alles eingeordnet?  

„Wir hatten einige großartige Momente. Doch wir leben eben in einer negativen Welt, in der die schlechten, harten Zeiten mehr beachtet werden. Wir hatten Ausreißer, ja, einer war sicherlich das verlorene Pokalhalbfinale. Das tat weh. Die EuroLeague war dagegen richtig gut, mit 19 Siegen in der regulären Saison . . .“

. . .  die zweitbeste Bilanz der Vereinsgeschichte . . .

„ . . . und damit haben wir uns in die Position gebracht, ein Playoff-Team zu sein. Das haben wir dann in zwei Spielen am Ende noch aus der Hand gegeben, trotzdem: In diese Lage haben wir uns gebracht, das bleibt positiv zurück nach einem guten Jahr. Auch als wir in den BBL-Finals plötzlich 1:2 hinten lagen und am Morgen danach Marko (Pesic) zu uns Coaches kam und 30 Minuten mit uns sprach – auch da hatte ich ein positives Gefühl, damals für Spiel 4 und den weiteren Verlauf.“

„Wir hätten die Playoffs verdient gehabt“

Wenn Du die Augen schließt, welches Spiel, welches Ereignis taucht dann direkt auf?

Das erste Spiel im SAP Garden gegen Real Madrid. Wir lagen mit zwölf hinten im vierten Viertel und haben noch einen Weg gefunden, zu gewinnen. Da haben wir alle gemerkt: Es ist etwas möglich und die Fans und die Stadt haben sofort eine enge Verbindung mit dem Team aufgebaut. Auch der Sieg in Barcelona (102:101; Anm.d.Red.) war ein großes Comeback, in Kaunas haben wir ebenfalls einen tollen Sieg (97:82) gefeiert. Es gab schon einige Spiele, in denen wir richtig, richtig gut waren. Und das sind die Dinge, an die wir uns unbedingt erinnern sollten. Klar macht es mich traurig, dass wir nicht die Playoffs erreicht haben. Das war bittersüß. Denn das hätten wir verdient gehabt mit der Art, wie wir gespielt haben, speziell im SAP Garden mit unseren Fans, mit hohem Tempo. Das war aufregender Basketball, finde ich. Aber viele sagen, die deutsche Meisterschaft ist am Ende doch das Wichtigste.“

Neben der positiven Grundstimmung, welches Fazit ziehst Du noch?

„Wir haben in den BBL-Playoffs nicht unseren besten Basketball gespielt – weil einige Jungs richtig erschöpft waren. Ich denke, ich habe in den BBL-Spielen einen Fehler gemacht, dass ich nicht auf mehr Spieler zurückgegriffen habe. Und als dann Lucic und Giffey lange verletzt ausfielen, mussten wir einige der Jungs zu viele Minuten spielen lassen. Ich glaube, wir brauchen künftig eine 15-Mann-Rotation – und ich muss viel mehr im Hinterkopf haben, dass nicht alle immer jedes (BBL-)Spiel bestreiten können.“

Folgt dazu und zu anderen Dingen noch eine Analyse im Trainerstab, oder gab es die schon?  

„Wir werden noch alle zusammen darüber sprechen. Mit Ivan (Pijanic, FCBB-Athletiktrainer) habe ich schon darüber gesprochen. Ich versuche, offen zu sein und mag Leute, die eine Meinung haben und sie auch vertreten. Am Ende muss ich natürlich die Entscheidung treffen. Aber ich will ein guter Zuhörer sein und schätze unterschiedliche Auffassungen.“

Gordon Herbert im Gespräch mit seinen Spielern
Gordon Herbert im Gespräch mit seinen Spielern | © FCBB

„Ich habe in den BBL-Spielen einen Fehler gemacht“

Fehler offen einzuräumen, wie Du es hier gerade getan hast, ist heutzutage ein eher ungewöhnlicher Schritt . . .

„Ich finde aber, zuzugeben, dass du einen Fehler gemacht oder etwas Falsches getan hast, ist überhaupt keine Schwäche. Das ist eine Stärke. Du musst für Fehler Verantwortung übernehmen und in den Spiegel schauen. Es ist zu einfach, nur aus dem Fenster zu schauen, Ausreden zu finden und anderen die Schuld zu geben. So handhabe ich das nicht. Selbstreflektion ist sehr wichtig für Leadership. Du musst als Headcoach Entscheidungen treffen und wenn es wirkt, sagt keiner etwas – wenn nicht, musst du dich für Kritik öffnen. Wenn du keine Kritik annimmst, kannst du nicht coachen. Ich denke deshalb, dass es nächstes Jahr besser wird. Denn ich werde nächstes Jahr ein besserer Coach sein nach diesen Erfahrungen.“  

Der letztjährige Coach war nach 83 Spielen ebenfalls sehr ausgelaugt. Wie gehst Du persönlich auf die neue Saison zu?

„Ich muss mich gut erholen und dann gut vorbereiten. Die Saisonvorbereitung ist sehr wichtig, zumal das wieder sehr schwierig wird wegen der EuroBasket (27.8. – 14.9.). Und in der EuroLeague wird es noch viel schwerer nächste Saison, mit mehr Spielen und noch mehr großes Geld im Markt durch neue Teams. Aber das ist eine gute Challenge und ich freue mich darauf. Wir werden ein tolles Team haben, mit einer großartigen deutschen Basis. Ich glaube, wir haben wirklich die Chance, noch besser zu sein als dieses Jahr.“

Wie bist Du derzeit involviert in die Kaderplanung?

„Ich spreche mit Dragan (

, FCBB-Geschäftsführer Sport) jeden Tag und wir gehen die Sachen durch. Während der Saison war ich in diese Dinge zwangsläufig weniger einbezogen, doch jetzt telefoniere ich auch intensiv mit neuen Spielern. Wir haben kein Budget, um uns mit den großen Teams messen zu können bei Transfers. Doch ich mag ohnehin mehr jene Spieler, die aus einem schweren Jahr kommen, die hochmotiviert sind und etwas beweisen wollen.“

Der erste Zugang Wenyen Gabriel hat beim ersten Austausch einen sehr motivierten Eindruck hinterlassen.

„Ja, und er gibt uns jene Rim-Protection, die wir letztes Jahr nicht hatten. Wir waren in der EuroLeague Letzter, den eigenen Korb zu schützen. Gabriel wird uns nun ein etwas anderes Gesicht geben in der Verteidigung. Booker und Jo (Voigtmann) konnten das Feld öffnen mit ihrer Fähigkeit, von außen zu werfen. Doch wir benötigen auch mehr defensive Präsenz, deshalb ist Gabriel eine großartige Verpflichtung für uns. Natürlich bin ich traurig, dass Booker geht. Auf der anderen Seite freut es mich, dass er mit 34 einen guten Zweijahresvertrag erhält. Er ist ein toller Junge, eine tolle Persönlichkeit. Dafür werden Oscar da Silva und auch Jo nächste Saison noch stärker sein, da bin ich mir sehr sicher. Wir haben genug Raum, uns zu verbessern und ich sehe bei unseren Jungs eine sehr hohe Motivation.“

„Wir haben noch etwas zu erledigen“

Wie planst Du die Saison?

„Wir werden uns noch vor der Vorbereitung im August mit den Trainern zusammensetzen und wie erwähnt darüber sprechen, was gut lief und was nicht, was wir ändern können. Letztes Jahr kam ich direkt von den Olympischen Spielen und war nicht wirklich gut vorbereitet. TJ (Parker; Co-Trainer) stieß außerdem zwei Wochen später zu uns, nachdem wir bereits angefangen hatten. Das wird jetzt anders sein. Wir können nicht einen Tag verlieren. Doch mir gefällt jetzt schon die Teamdynamik, die wir mit unserer Gruppe erzeugen. Nach einem gemeinsamen Jahr haben wir eine große Chance, weiter zu wachsen und noch besser zu werden. Vor allem in der Defense. Wir werden weiter schnellen Basketball spielen, Fastbreak-Basketball mit hohem Tempo, darauf soll sich das Publikum in München verlassen. Bis zu einem gewissen Maß sind wir ja ein Entertainment-Betrieb und die Leute wollen diese Sache sehen, obwohl ich eigentlich immer eher ein Defense-Coach war. Aber auch das änderte sich etwas mit dem Alter.“

Du hast offenkundig schon Lust auf die nächste Saison.  

„Ja, ich freue mich auf das neue Jahr. Denn ich habe das Gefühl, dass wir noch etwas zu erledigen haben. Ich habe einen großartigen Job, den ich liebe, ich mag auch die Leute im und um den Verein. Natürlich sind dem einen oder anderen die Resultate am wichtigsten, vielleicht zu wichtig. Doch ich fokussiere mich mehr auf den Prozess. Und der stimmt in München.“

Hast Du Dich eigentlich für die Meisterschaft selbst belohnt, mit einer Uhr oder einem hippen Trip nach Mykonos?

„Nein, nichts, nicht wirklich. Ich bleibe hier bis August. Ich brauche nichts, ich bin hier direkt am Ozean . . .“

. . . mit finnischem Bier?

„Tatsächlich habe ich deutsches Bier gekauft. Allerdings hat es gerade 14 Grad, morgen soll es erstmals über die 20 gehen. Bisher war es ein schrecklicher Sommer hier. Aber das hilft immerhin sehr, gut zu schlafen.“

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