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Glódís Perla Viggósdóttir klatschend nach einer Partie der FC Bayern Frauen
© Getty Images

Eine Kiste voll Erinnerungen: Die inspirierende Reise von FCB-Kapitänin Glódís Perla Viggósdóttir

Es gibt Erinnerungsstücke, die sind wertvoller als jede Trophäe. Und es gibt Geschichten, die so unscheinbar beginnen, dass sie fast übersehen werden. Für Glódís Perla Viggósdóttir, Kapitänin der FC Bayern Frauen, ist es vielleicht ein Paar abgetragener Fußballschuhe. Sie sind nicht golden, nicht signiert, nicht neu. Und doch erzählen sie mehr über ihren Weg als jede Medaille. Die Schuhe, einst Eigentum der Nachbarn, waren eigentlich schon für den Müll bestimmt. Es war ihr Vater, der sie auf dem Weg zum Container entdeckte und entschied: „Nein, die kann meine Tochter doch noch gebrauchen.“ So wurden sie zu Glódís’ ersten Fußballschuhen, zu ihrem Eintrittsticket in eine Welt, die sie nie mehr loslassen sollte.

Sie wanderten an die Füße eines achtjährigen Mädchens, dessen Alltag bis dahin eher von Gitarrengriffen und Musik geprägt war. Sport spielte in ihrer Familie in ihrer frühen Kindheit kaum eine Rolle. Doch an ihrer Schule spielten viele Mädchen Fußball, und so ging Glódís eines Tages einfach mit. Ohne Ehrgeiz, ohne große Erwartungen. Ein spontaner Nachmittag, mehr nicht. Doch als sie den Ball erstmals stoppte, über den Platz lief, spürte sie etwas, das stärker war als alles, was sie bisher kannte. „Ich war ziemlich schnell in den Fußball verliebt“, erinnert sie sich.

Ein Weihnachtsabend und eine Kiste voller Erinnerung

Der Vater von Glódís Perla Viggósdóttir hält die ersten Schuhe der Innenverteidigerin in den Händen.
Als alles Begann: Der Vater von Glódís Perla Viggósdóttir hält die ersten Fußballschuhe seiner Tochter in den Händen. | © Privat / Glódís Perla Viggósdóttir

Im vergangenen Jahr, inzwischen 29 Jahre alt, öffnete Glódís an einem Weihnachtsabend eine kleine Kartonkiste ihres Vaters. Darin: die alten Schuhe, sorgfältig aufbewahrt. Sie wusste nicht einmal, dass ihr Vater sie behalten hatte. Auf dem Deckel stand in seiner Handschrift: „GPV Fußballschuhe“. Kein Geschenk, und doch etwas, das sie tief berührte. In dieser Kiste lag ein Teil ihrer Geschichte, sichtbar geworden in Schuhen, die zufällig ihren Weg zu ihr gefunden hatten.

Eine Kindheit voller Wege

Glódís war kein Kind, das früh wusste, wohin es wollte. Geboren im isländischen Kópavogur – wörtlich: „Kleine Bucht der Seehundjungen“, probierte sie vieles aus. Unter anderem Judo: der Geruch der Matten, die Kälte der Halle, die Spannung kurz vor den Kämpfen. Sie gewann, lernte, sich nicht beirren zu lassen, entwickelte ein Gespür für Körper und Gleichgewicht. Fähigkeiten, die später im Fußball entscheidend wurden. Parallel dazu Handball, ebenfalls intensiv, über Jahre hinweg erfolgreich. Fußball spielte sie auch, weil eben alle spielten. Irgendwann kam der Moment der Entscheidung zwischen den zwei Leidenschaften Handball und Fußball. „Ich hatte immer ein bisschen mehr Liebe für den Fußball“, sagt sie heute. Diese Wahl bestimmte ihren Weg.

Zwischen Hörsälen und Auswärtsfahrten

Glódís Perla Viggósdóttir im Einsatz für den FC Rosengård.
Ganze sechs Jahre spielte Glódís Viggósdóttir in Schweden, darunter für vier Spielzeiten beim FC Rosengård. | © Imago

Ihre Karriere begann bereits sehr früh: bei Breiðablik Kópavogur in ihrer Heimat, später im Seniorenbereich bei HK Kópavogur, wo sie als Jugendliche ihre ersten Erfahrungen sammelte. 2011 wechselte sie nach Dänemark zu Horsens SIK, ihr erster Auslandsaufenthalt, ihr erster richtiger Vertrag. In dieser Saison erzielte sie 14 Tore in 21 Spielen. Noch im selben Jahr kehrte sie in die isländische Spitze zurück, unterschrieb bei Stjarnan Garðabær und gab dort 2012 ihr Champions-League-Debüt, im Alter von nur 16 Jahren. Ab 2015 folgten die Jahre in Schweden, zunächst bei Eskilstuna United, dann beim FC Rosengård. 

Ich musste in diesen Jahren sehr organisiert sein.

Glódís Perla Viggósdóttir über ihr Studium der Psychologie während der Fußballkarriere

Neben jener frühen Laufbahn im Sport entschied sich Glódís, ein weiteres Kapitel zu starten. Sie schrieb sich für Psychologie ein und machte ihren Bachelor. Drei Jahre lang pendelte sie zwischen Hörsälen und Trainingsplätzen, lernte im Mannschaftsbus, schrieb Hausarbeiten, jonglierte Termine, die sich selten füreinander interessierten. Ihr Zeugnis erhielt sie einen Tag, nachdem sie in der WM-Qualifikation 2019 gegen Slowenien zwei Tore für Island erzielt hatte. 

Ihre Eltern unterstützten sie aus Überzeugung, aber auch aus einem leisen Schutzinstinkt, weil der Frauenfußball damals noch nicht die Strukturen bot, die heute selbstverständlich erscheinen. „Ich musste in diesen Jahren sehr organisiert sein“, sagte sie später. Und tatsächlich entwickelte sie in diesen Jahren eine Disziplin, die man ihr bis heute anmerkt: die Klarheit, mit der sie über Spiele spricht, die Ruhe, die sie auf dem Platz ausstrahlt. Nach ihrem Bachelor absolvierte sie zusätzlich eine Ausbildung zur Personal Trainerin, einzig und allein aus Interesse: Um zu verstehen, wie der Körper funktioniert, wie man regeneriert und Kraft aufbaut. Wissen, das sie bis heute begleitet.

Der Sprung nach München

Glódís Perla Viggósdóttir mit dem DFB-Pokal nach dem gewonnenen Endspiel in Köln in der Saison 2024/25.
Führte die FCB-Frauen als Kapitänin zum historischen ersten Double: Glódís Perla Viggósdóttir mit dem DFB-Pokal im Mai 2025. | © Imago

Sechs Jahre spielte Glódís in Schweden, gewann Titel, wurde eine verlässliche Größe in der Damallsvenskan und fand dort eine gewisse Ruhe. Doch irgendwann spürte sie, dass diese Ruhe trügerisch war: Sie war gewachsen, stärker geworden, bereit für mehr. Als dann der FC Bayern anfragte, erinnerte sie sich sofort an ein Champions-League-Spiel mit Rosengård in München: an den Campus, an die Wucht und Dimension dieses Vereins. Das Angebot fühlte sich an wie eine Tür in eine neue Welt. „Es war ein Schritt aus der Komfortzone“, sagt sie heute.

In München fand sie schnell ihre Routine, die Mannschaft wurde eine zweite Familie: ernsthaft im Training, herzlich im Umgang. Glódís wurde Leistungsträgerin, später Kapitänin. Sie erlebte die zunehmende Professionalisierung des Frauenfußballs, wachsende Stadien und steigende Erwartungen. Sie war dabei, als die Münchnerinnen erstmals in der Allianz Arena spielten, gegen den Gegner, der nun erneut vor ihnen steht: Paris Saint-Germain.

Nächte in Paris: Chaos, Charakter und Herz

Die FC Bayern Frauen vor dem Spiel gegen Paris Saint-Germain in der Allianz Arena in der Saison 2021/22.
Bereits seit 2021 dabei: Glódís Perla Viggósdóttir stand auch im Zuge des ersten Arena-Spiels der FCB-Frauen für die Münchnerinnen auf dem Platz. | © Imago

Viermal hat sie mit dem FCB bereits gegen Paris gespielt, jedes Spiel trug seinen eigenen Ton. Besonders im Gedächtnis geblieben ist ihr der 1:0-Auswärtssieg in der Saison 2023/24, als Bayern das Spiel mit kontrollierter Autorität für sich entschied. Gleich danach fällt ihr das berüchtigte „Corona-Spiel“ 2021/22 ein, eine Reise mit halbem Kader, improvisierten Aufstellungen, 120 Minuten Kampf. Ein Duell, das zeigte, dass Charakter und Teamgeist manchmal mehr zählen als Tore. 

Und in dieser Saison? Der Prinzenpark ruft erneut. PSG ist bisher punktlos, hungrig, das Stadion wird laut. Doch Glódís spricht darüber mit jener ruhigen, nordisch-kühlen Ruhe, die sie auch auf dem Platz ausstrahlt: „PSG wird sehr aggressiv in das Spiel gehen. Es ist die Champions League und wir wissen um ihre Qualitäten. Als Team müssen wir eine absolute Top-Leistung abrufen. Paris wird versuchen, uns von Beginn an unter Druck zu setzten. Wir werden aber vorbereitet sein.“

Rückschläge als Lehrmeister

Glódís Perla Viggósdóttir während des Duells beim FC Barcelona in der Saison 2025/26.
Glódís Perla Viggósdóttir und ihre Mannschaft zogen die richtigen Schlüsse aus der Niederlage beim FC Barcelona. Die Münchnerinnen gewannen alle der vergangenen acht Partien seit dem Duell gegen Barça. | © Imago

Der Weg in diese Champions League-Saison begann mehr als holprig. Nach dem 1:7 in Barcelona war das Team kurz erschüttert. „Wir waren wirklich enttäuscht“, sagt sie, „aber wir haben es in etwas Nützliches verwandelt.“ Die Mannschaft analysierte, lernte, wuchs und gewann anschließend achtmal in Serie. Zwei Last-Minute-Siege gegen Juventus und den amtierenden Champions League-Sieger Arsenal setzten besondere Akzente. Glódís erzielte dabei selbst den 3:2-Siegtreffer gegen die Gunners, „das wichtigste meiner Tore seitdem ich hier bin“. Es waren Momente, die zeigten, wie Rückschläge zu Entwicklung, Stärke und Selbstvertrauen führen können. „Man kann nicht immer das Ergebnis kontrollieren, aber man kann immer etwas lernen.“

Mit sechs Punkten nach neun Spielen stehen die Bayern derzeit auf Rang acht der Ligaphase, nur einen Zähler hinter Platz vier, der direkt für das Viertelfinale qualifiziert. In Paris bietet sich die Chance, diesen Abstand womöglich zu verkürzen. Viggósdóttir wird diesen Weg, dieses Ziel, mit voller Konzentration und Leidenschaft verfolgen, wie immer. Und in Island wird ihr Vater womöglich vor dem Fernseher sitzen, die Daumen drücken, so wie er es seit jenem Tag tut, als er die ersten mittlerweile zu klein gewordenen Fußballschuhe seiner Tochter aufgehoben hat. Vielleicht steht die kleine Kartonkiste mit den alten Fußballschuhen irgendwo in der Nähe. Als stimme Zeugin einer langen Reise, einst gerettet vor dem Mülleimer.

🔍 Wir haben den kommenden Gegner der FC Bayern Frauen etwas genauer unter die Lupe genommen: 

🤔 Unser Matchday-Quiz zum Duell bei Paris Saint-Germain: 

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